Einst haben die Anwälte ihre Mandanten in Krisen beraten. Heute geraten sie selbst in den Fokus –wegen übler Nachrede, echter persönlicher Verfehlung oder möglicher Beratungsfehler. Doch es gibt Strategien für den Ernstfall.
Bei großen wirtschaftlichen Umwälzungen waren die Anwälte einst nur die unsichtbaren Berater im Hintergrund. Sichtbar waren sie höchstens vor Gericht, doch auch da fast unantastbar in den schwarzen Roben der Gerechtigkeit. Und eines waren sie ganz sicher nicht: kritischer Presse ausgeliefert.
Diese Zeiten sind vorbei. Den Auftakt machte der Fall Haarmann Hemmelrath. Die damals international renommierte, zu den besten des Landes zählende Kanzlei sah sich dem – wie sich später herausstellte unberechtigten - Vorwurf ausgesetzt, zu einer Steuerkonstruktion falsch beraten zu haben.
Die Klage der ehemaligen Mandantin Werhahn lief komplett ins Leere – doch ebenso leer waren schließlich die Kanzleiräume. Die Sozietät, einst die größte Deutschlands und eine der renommiertesten im Steuerrecht, war 2005 am Ende.
Anwälte am medialen Pranger
Seitdem wurden diverse Kanzleien und einzelne Anwälte an den medialen Pranger gestellt. Gelegentlich war es sehr Persönliches, was zu gesellschaftlichem Unmut führte: Unterstellte Befangenheit durch amouröse Partnerschaften zwischen Anwalt und Richter, unterstellte Begünstigungen durch Beziehungen zwischen Kommunalpolitiker und beratendem Anwalt, eine Schlägerei auf dem Oktoberfest.
Längst können derartige Vorkommnisse nicht mehr kanzleiintern gelöst werden, sondern finden früh den Weg in die Medien. Der Aktienkauf durch das Land Baden-Württemberg, dessen früherer Ministerpräsident Stefan Mappus dann gegen Gleiss Lutz und den zuständigen Partner erfolglos klagte, der noch längst nicht abgeschlossene Abgasskandal, aufgrund dessen die Kanzleiräume bei Jones Day durchsucht wurden und natürlich der Cum-Ex-Skandal mit besonderem Fokus auf die Rolle der beratenden Anwälte sind nur die öffentlich bekanntesten Fälle.
Komplexes Recht und die neue Anwaltsrolle
"Es wird härter für Anwälte", sagt Uwe Hornung, Partner bei Clifford Chance. Seine Kanzlei hat seinerzeit Werhahn gegen Haarmann Hemmelrath beraten, auch wenn er selbst zumeist Kollegen, die zivilrechtlich von ihren Mandanten in Anspruch genommen werden, vertritt. "Gegen die Juristen wird zwar heute strenger als gegen andere vorgegangen, aber sie werden auch nicht mehr geschont", meint der 56-Jährige. "Die Staatsanwaltschaften schauen allerdings ebenso wie die Mandanten genauer als früher hin, ob auch bei der Kanzlei was zu holen ist, seien es Informationen bei Durchsuchungen oder eben Schadensersatz für die Mandanten", so Hornung.
Für Dirk von Manikowsky hat die Situation "den Aspekt der ‚Geister, die ich rief". Er ist Partner bei Hering Schuppener, einem der bedeutenden Beratungsunternehmen für Kommunikation hierzulande, wenn es um Krisen in Unternehmen geht. "Nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes und insbesondere während der Finanzmarktkrise vor knapp zehn Jahren suchten die Medien verstärkt nach Erklärungen. Hochkomplexe, oft juristische Zusammenhänge mussten den Lesern verständlich gemacht werden", sagt von Manikowsky. Die Anwälte wurden für Expertenmeinungen konsultiert.
Aber nach den Berichten über die bankrotte alte Dame, die mit der Investition in riskante Zertifikate oder Schiffsfonds mit langen Laufzeiten ihre Altersversorgung verloren hatte, sei dann auch die Rolle der Berater in den Fokus gerückt. "Banker und Anwälte wechselten von der Experten- auf die Anklagebank der Redaktionen", sagt er.
Hinzu kommt, dass die Rechtfragen komplexer geworden sind – und damit tatsächlich leicht Fehler passieren. "Die Art der Mandate und das Volumen sind ganz andere und auch im Recht verbergen sich viel mehr Fallstricke als früher", sagt Bertin Chab, Rechtsanwalt und Leitender Justiziar bei der Allianz Versicherungs-AG in der Schadenabteilung für die Vermögensschadenhaftpflicht. So müsse heute etwa viel stärker als früher das EU-Recht berücksichtigt werden.
Tanja Podolski, Anwalt in der Krise: . In: Legal Tribune Online, 18.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24571 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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