Richter Thomas Schulte-Kellinghaus wehrt sich dagegen, dass er mehr Fälle in kürzerer Zeit bearbeiten soll. Der Dienstgerichtshof hat nochmals bestätigt, dass eine entsprechende Ermahnung nicht in die richterliche Unabhängigkeit eingreift.
Der Dienstgerichtshof (DGH) für Richter beim Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart bleibt dabei: Wenn die Gerichtspräsidentin einen Richter ermahnt, weil er deutlich weniger Verfahren erledigt als seine Kollegen, ist das nicht zwingend ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit (Urt. v. 21.5.2019, Az. DGH 1/18).
Der Fall hat eine lange Vorgeschichte: Die ehemalige OLG-Präsidentin Christine Hügel hatte die Erledigungszahlen von Schulte-Kellinghaus mit dem Pensum anderer Richter am OLG Karlsruhe verglichen und kritisiert, er unterschreite das durchschnittliche Erledigungspensum "ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessenden Toleranzbereiche". In den Jahren 2008 bis 2010 habe seine Erledigungsleistung nur etwa 68 Prozent der von anderen OLG-Richtern in diesem Zeitraum durchschnittlich erledigten Verfahren entsprochen. 2011 habe er sogar weniger Verfahren als ein Halbtagsrichter erledigt.
Schulte-Kellinghaus sieht darin einen Eingriff in seine richterliche Unabhängigkeit. Unbestritten ist, dass er nicht etwa weniger arbeitet als seine Kollegen, sondern eher besonders gründlich vorgeht. Um mehr Fälle zu erledigen, müsse er seine Rechtsanwendung grundlegend ändern, betont Schulte-Kellinghaus immer wieder. Er klagte gegen den Vorhalt der Präsidentin.
Das baden-württembergische Dienstgericht und der DGH hatten Hügels Ermahnung zunächst bestätigt. Der BGH hob das Urteil allerdings auf und verwies zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den DGH zurück. Grundsätzlich sei die Dienstaufsicht zwar berechtigt, einem Richter ein in Zahlen gemessenes unzureichendes Erledigungspensum vorzuhalten. Allerdings müsse der DGH klären, ob die durchschnittlichen Erledigungszahlen zutreffend ermittelt worden seien, so die Karlsruher Richter.
DGH: Zahlen zutreffend ermittelt
Der DGH hat die Berufung gegen die Entscheidung des Dienstgerichts nun erneut zurückgewiesen. Wie jetzt bekannt wurde, erging das Urteil noch am Tag der Verhandlung am 21. Mai dieses Jahres durch Niederlegung des Urteiltenors auf der Geschäftsstelle, was Schulte-Kellinghaus und seine Anwältin aber nach eigenen Angaben erst im Juli auf Nachfrage beim Gericht erfuhren. Die schriftlichen Gründe liegen LTO vor.
Der DGH betont darin, grundsätzlich dürfe die Gerichtspräsidentin dem Richter eine quantitativ unzureichende Arbeitsleistung vorhalten. Eine geringe Erledigungsleistung führe zu Rückständen und zu einer längeren Laufzeit der Prozesse. Es sei eine legitime Aufgabe der Dienstaufsicht, einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken, da sie "auch die Interessen der Parteien an einer zügigen, unverzögerten Entscheidung und einer entsprechenden Arbeitsweise des Richters berücksichtigen" müsse.
Dabei werde, so der DGH, die Grenze zur verfassungsrechtlich geschützten richterlichen Unabhängigkeit erst dann überschritten, wenn eine "Erledigung der Eingänge in sachgerechter Weise" nicht mehr möglich sei. Der Vergleich mit dem durchschnittlichen Erledigungspensum anderer Richter in vergleichbarer Position ist nach Ansicht des Gerichtshof dabei zulässig, um zu ermitteln, welches Arbeitspensum einem Richter abverlangt werden kann.
Der Senat setzt sich auch mit einzelnen Fragen zur Ermittlungen der Zahlen auseinander und erklärt, er sei "nach eingehender Prüfung der für den Vorhalt ermittelten Durchschnittszahlen davon überzeugt, dass diese zutreffend und jedenfalls nicht für den Antragsteller nachteilig ermittelt" wurden.
Revision angekündigt
Schulte-Kellinghaus kritisiert, die Argumentation des DGH gehe grundsätzlich an der Sache vorbei. Er könne nur dann mehr Verfahren erledigen, wenn er seine Rechtsanwendung grundlegend ändere. Der Vorhalt der Gerichtspräsidentin sei deshalb als Aufforderung zu verstehen, genau das zu tun - und damit ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit. In den Urteilen des BGH und des DGH gebe es nach wie vor keinen Hinweis, wie er höhere Erledigungszahlen ohne Änderung seiner Rechtsanwendung erzielen könne, so der Richter.
Der DGH stellt sich dagegen auf den Standpunkt, die Gerichtspräsidentin habe Schulte-Kellinghaus gerade keine konkreten Hinweise hinsichtlich einer Änderung seiner Arbeitsweise gegeben. Der Vorhalt sei so zu verstehen, dass der Richter "selbst seine Arbeitsweise reflektieren kann auf etwaige Vorgehensweisen, die ihn unnötig viel Zeit kosten, ohne dass sich dies auf die Prüfung der einzelnen Fälle oder allgemein die Qualität der Rechtsprechung auswirken könnte."
Schulte-Kellinghaus bleibt bei seiner Auffassung, dass der DGH eben dieser Frage nicht nachgegangen sei. Seine Beweisanträge, die darauf abzielten festzustellen, ob die Ermahnung als Aufforderung zu einer anderen Rechtsanwendung zu verstehen sei, lehnte der DGH ab.
Schulte-Kellinghaus Anwältin Christina Gröbmayr sagte gegenüber LTO, sie werde Anfang kommender Woche Revision zum Bundesgerichtshof einlegen.
Erneute Niederlage für "langsamen Richter" vor dem DGH: . In: Legal Tribune Online, 16.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37093 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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