Nach Gesetzesänderung: Kla­ge­flut an baye­ri­schen Sozial­ge­richten

20.05.2019

Eine politische Lösung sollte nach einer Änderung im Sozialrecht eine Klagewelle von Krankenkassen gegen Krankenhäuser verhindern. Dennoch hat die bayerische Sozialgerichtsbarkeit mit einem massiven Verfahrensanstieg zu kämpfen.

Nach einer Änderung des Krankenversicherungsrechts ächzen Bayerns Sozialgerichte unter einer noch größeren Klageflut als bislang angenommen. Die bisher bekanntgegebene Schätzung von 14.000 zusätzlicher Verfahren liege nach neuen Erkenntnissen sicher deutlich höher, kritisiert der Präsident des bayerischen Landessozialgerichtes (LSG), Günther Kolbe, in München. Er geht nach Gesprächen mit den Krankenkassen inzwischen von insgesamt deutlich mehr als 22.000 Verfahren aus.

Anlass der Klagewelle ist eine Gesetzesänderung des Sozialrechts aus dem vergangenen Jahr: Bisher hatten Krankenhäuser und Krankenkassen vier Jahre Zeit, um die Erstattung möglicherweise falsch berechneter Behandlungskosten einzuklagen. Jetzt sind es nur noch zwei, weswegen die Kassen viele Leistungen vorsorglich klageweise geltend machen.

Kolbe: "Klagepakete" machen die Lage noch unübersichtlicher

Ein Großteil der Verfahren werde sich nach gegenwärtiger Einschätzung nicht mehr unstreitig erledigen, sagte Kolbe. Die Empfehlung des Bundesgesundheitsministeriums, die für außergerichtliche Einigungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern sorgen sollte, nannte er "unzureichend". Die daran geknüpfte Erwartung, die Klageverfahren mögen sich unstreitig beenden lassen, hätte sich als "grobe Fehleinschätzung" entpuppt.

Die Lage sei noch unübersichtlich, weil viele Abrechnungsstreitigkeiten gebündelt eingereicht würden und diese "Klagepakete" noch aufgeschnürt werden müssten, um die einzelnen Verfahren zu ermitteln. Die AOK Bayern spricht beispielsweise von 70 Klagepaketen, von denen mehr als 50 außergerichtlich geklärt werden konnten. Noch anhängig sind der Krankenkasse zufolge 17 Klagen. Die konkrete Zahl der Fälle, die diese Klagepakete umfassen, nannte die AOK nicht.

Kolbe hat inzwischen einen Brief an das bayerische Sozialministerium geschrieben und um deutlich mehr Personal gebeten. Um die Zahl 22.000 ins Verhältnis zu stellen: Das Sozialgericht in München behandelt nach Angaben Kolbes pro Jahr bis zu 15.000 Verfahren - über alle Fachbereiche hinweg.

Klagewelle wird auf der Tagung der LSG-Präsidenten diskutiert

Kolbes Brief wurde auch beantwortet, wie eine Sprecherin des Sozialministeriums sagte. Die Sorgen würden "sehr ernst genommen". Das Sozialministerium werde die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen. Sollte es weiterhin zu keiner politischen Lösung zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern kommen und die Eingangszahlen bei den Gerichten auf einem so hohen Niveau verbleiben, müsse bei den kommenden Haushalten geprüft werden, ob zusätzliche Planstellen erforderlich und realisierbar seien.

Das Problem ist auch Thema auf einer Tagung der Präsidenten der LSG der Bundesländer, die an diesem Montag in Wörlitz in Sachsen-Anhalt startet. Es gebe dabei große Unterschiede zwischen den Bundesländern, sagte der Präsident des LSG Sachsen-Anhalt, Michael Fock. Er verlangte, dass die zuständigen Ministerien in den Ländern den Sozialgerichten genug Personal fürs Abarbeiten der Klagen bereitstellen. Die anhand durchschnittlicher Fallzahlen errechneten Personalstärken reichten dafür nicht aus. Die Politik sei hier in der Pflicht.

Weitere Themen auf der Tagung in Wörlitz sollen Herausforderungen bei der Digitalisierung der Gerichte und die Suche nach Nachwuchs sein. Das Treffen dauert bis Mittwoch, dann sollen auch Ergebnisse und Beschlüsse vorgestellt werden.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Nach Gesetzesänderung: . In: Legal Tribune Online, 20.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35479 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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