Justizministerkonferenz der Länder: Rechts­staat reloaded in Eise­nach

von Dr. Markus Sehl

06.06.2018

Kinderpornografie als legales Lockmittel für Ermittler? Verfassungsschutzprüfung für Nachwuchs-Richter? Verbot der Zeugen-Vollverschleierung im Gerichtssaal? Nicht alles neu, aber alles umstritten – in Thüringen beginnt die JuMiKo.

Zweimal im Jahr bietet die Justizministerkonferenz (JuMiKo) den Bundesländer die Chance, um für ihre rechtspolitischen Themen zu werben. Bei der 89. Konferenz, die dieses Jahr auf der Wartburg im thüringischen Eisenach stattfindet, stehen 49 Themen auf der offiziellen Tagesordnung – ein straffes Programm für das zweitägige Treffen, das am Donnerstag mit Beschlüssen enden wird.

Bereits im Vorfeld begann das rechtspolitische Aufwärmen, einzelne Länder gingen mit ihren Forderungen in die Offensive. Aus diesen Vorstößen und dem darauf folgenden Widerstand lässt sich absehen, welche Themen auf der Konferenz besonders heiß diskutiert werden dürften.

Echtes Kinderporno-Material für Ermittler im Darknet

Schon seit längerem wird diskutiert, wie weit verdeckte Ermittler bei ihren Nachforschungen zu Kinderpornografie im Internet gehen dürfen. Große Teile der Szene tauschen sich in Foren im sogenannten Darknet aus, einer Art Paralleluniversum des Internets, das vor allem Anonymität garantieren soll. Verdeckte Ermittler stoßen dort bisher an Grenzen. Denn in vielen Foren werden sogenannte "Keuschheitsproben" verlangt: Nutzer müssen selbst kinderpornografische Inhalte in diese Foren einzubringen, um Zugriff auf die anderen Inhalte zu haben. Auch die Polizei müsste also selbst Kinderpornografie in diesen Foren teilen, um in Kontakt zu den mutmaßlichen Tätern zu bekommen. Derzeit würden sich die Ermittler aber auch selbst strafbar machen.

Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann – eine von vier Frauen unter den Landesjustizministern - möchte einen Schritt weitergehen. Die CDU-Politikerin will Ermittlern erlauben, mit echtem Kinderporno-Material Jagd auf Anbieter solcher Bilder im Darknet zu machen. "Es gibt in jüngster Zeit Angebote von Opfern, die ihr bereits im Umlauf befindliches Material zu diesem Zweck zur Verfügung stellen würden", sagte die CDU-Politikerin zuerst dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel.

Während der JuMiKo soll über eine Gesetzesinitiative diskutiert werden, die es den Ermittlern erlaubt, computergenerierte Missbrauchs-Bilder hochzuladen. "Es geht um schreckliche Straftaten", sagte Thüringens Justizminister Dieter Lauinger (Grüne). "Und es geht um eine grundsätzliche Frage: Darf der Staat selbst Straftaten begehen, um Straftaten aufzuklären?" Er verwies etwa darauf, dass auch comic-hafte Darstellungen eine Option sein könnten. Allerdings könnten auch Comics unter Umständen ebenso unter den Straftatbestand des § 184 b Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB) fallen, dort geht es um den Besitz von Kinderpornographie, die "wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt". Lauinger erwartet eine hoch emotionale Diskussion des Themas auf der Konferenz. Die Positionen seien sehr unterschiedlich.

Nachwuchsrichter zukünftig auf Verfassungstreue überprüfen?

Ebenfalls aus Hessen kommt der Vorschlag, in Zukunft angehende Richter auf ihre Verfassungstreue überprüfen zu lassen. "In einer Zeit wachsender extremistischer Bedrohung ist es unsere Verpflichtung, alles Mögliche zu unternehmen, die staatlichen Strukturen vor extremistischem Gedankengut zu bewahren", erklärte Kühne-Hörmann. Ziel des Vorstoßes ist eine sogenannte Regelabfrage beim jeweiligen Landesamt für Verfassungsschutz. Damit soll geklärt werden, ob bei Bewerbern für das Richteramt "Anhaltspunkte für mögliche verfassungsfeindliche Einstellungen und Aktivitäten" vorliegen.

"Die Gefahren durch den Links- und Rechtsextremismus sowie aufgrund islamistischer Terrorbedrohungen nehmen europaweit und auch in Deutschland zu", heißt es in dem Vorschlagspapier, so die dpa. Es häuften sich Fälle, in denen verfassungsfeindliche Personen nicht nur in das Beamtentum, sondern in den gesamten öffentlichen Dienst drängten. "Dies birgt im Hinblick auf das Richteramt besondere Gefahren."

In Bayern gibt es eine solche Regelabfrage seit Ende 2016 bei jeder Einstellung eines angehenden Richters oder Staatsanwalts. Landesjustizminister Winfried Bausback (CSU) erklärte, so würden alle von einer Bewerbung in Bayern abgeschreckt, die nicht jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten. Bereits 1972 war ein sogenannter Radikalenerlass in Deutschland in Kraft getreten, der die Beschäftigung von Links- und Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst verhindern sollte. Er erstreckte sich auch auf bereits beschäftigte Personen. Der Erlass wurde vier Jahre später wieder abgeschafft.

Nach Einschätzung des rechtspolitischen Sprechers der Linken-Fraktion im hessischen Landtag, Ulrich Wilken, konstruiert die Ministerin eine Gefährdungslage, die nicht existiere. Die Erfahrungen aus dem Radikalenerlass lehrten, dass die Maßnahmen sich mit großer Wahrscheinlichkeit vor allem gegen linke oder muslimische Bewerber oder Richter wendeten. Andersdenkenden mit beruflicher Repression zu drohen, führe nicht zu einer Stärkung der freiheitlichen Grundordnung. Auch die Justizminister anderer Länder wie Thüringen oder Bremen positionieren sich gegen den Vorschlag.

BVerwG als Revisionsinstanz in Asylfällen?

Die Konferenz auf der Wartburg wird auch beschäftigen, wie Behörden und Gerichte schneller Asylverfahren und –streitigkeiten abarbeiten können. Dazu will Thüringens Ressortchef einen Vorschlag unterstützen, der dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mehr Raum für Grundsatzurteile einräumen soll. "Asylverfahren könnten deutlich beschleunigt werden, wenn es mehr obergerichtliche Entscheidungen zu wiederkehrenden Streitfragen gäbe", sagte Dieter Lauinger. Eine dieser Fragen sei etwa, ob die drohende Einberufung in die syrische Armee als Asylgrund gelten kann. Die Rechtsprechungslandschaft auf Ebene der OVG sieht in Deutschland dazu recht uneinheitlich aus.

Auf der Konferenz wird deshalb die "Einführung einer Tatsachenfeststellungskompetenz durch das Bundesverwaltungsgericht im Asylprozessrecht" diskutiert. Der Vorschlag ist nicht neu, im Bundestag hatte die Fraktion Bündnis90/Die Grünen bereits einen Entwurf eingebracht, der vorsieht, dass das BVerwG zu einer Revisionsinstanz für fallübergreifende allgemeine Tatsachenfragen wird. Viele Experten und der Bund der Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen unterstützen diesen Vorstoß.

Umbauten im Prozessrecht der Verwaltungsgerichtsbarkeit hatten die Justizminister auch schon auf ihrer Herbstkonferenz 2017 beschäftigt.

Burka-Verbot bei Gerichtsverhandlungen

Ein weiteres Thema ist ein mögliches Verbot von Gesichtsverhüllungen während Gerichtsverhandlungen. Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen schlagen vor, dass sich die Justizminister bei ihrer Konferenz für eine gesetzliche Regelung aussprechen. Die soll dafür sorgen, dass Sachverständige, Anwälte und Zeugen mit unverhüllten Gesichtern der Verhandlung beiwohnten.

Da sei für die Identitätsfeststellung aber auch für die richterliche Beurteilung der Mimik unerlässlich, hieß es zu dem Vorschlag, den auch Baden-Württemberg unterstützt. Wie oft es vorkommt, dass Menschen etwa mit Burka im Gericht erscheinen, konnte Justizminister Guido Wolf (CDU) nicht sagen. Es komme aber vor, sagte er der dpa. "Und jedes Mal, wenn es vorkommt, ist es ein Problem für den Rechtsstaat."

Die Forderungen der Länder sind allerdings alles andere als neu, bereits der Koalitionsvertrag der Großen Koalition hatte das Thema aufgegriffen, dort heißt es: "Wir schaffen eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, dass Verfahrensbeteiligte in Gerichtsverhandlungen ihr Gesicht weder ganz noch teilweise verdecken dürfen, außer medizinische Gründe sprechen dem entgegen, wenn es zur Identitätsfeststellung oder zur Beurteilung des Aussageverhaltens notwendig ist.". In einem Eilverfahren hatte das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass ein derartiges Verbot tragbar sein kann.

Sozialversicherungspflicht für Bonus im Referendariat

Auch ein Dauerbrenner für Referendare findet sich auf der Themenliste der Konferenz: "Sozialversicherungspflicht für Zusatzvergütungen von Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren in der Anwalts- und Wahlstation". Es geht um die Frage, wer die Sozialversicherungsbeiträge auf eine zusätzliche Vergütung bei einer Station im Referendariat zahlt.

Das Bundessozialgericht (BSG) hatte 2015 entschieden, dass die Länder und nicht die Ausbilder Sozialversicherungsbeiträge tragen müssen. Bislang stellt sich die Situation für Referendare von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich dar. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat deshalb zuletzt eine bundeseinheitliche Regelung gefordert und eine Änderung in § 22 Sozialgesetzbuch (SGB) IV vorgeschlagen.   

Obergrenze für Cannabis

Bereits vergangene Woche hatten einige Justizminister für ihre Vorschläge zur umstrittenen Obergrenze beim straffreien Eigenbedarf für Cannabis geworben. Hier gibt es zwischen den Ländern unterschiedliche Vorstellungen: Die Vorschläge bewegen sich zwischen sechs und 15 Gramm, eine vollständige Entkriminalisierung steht aber nicht auf dem Programm.

Kurz vor Beginn der Konferenz signalisierte auch die Justizministerin von Schleswig-Holstein, Sabine Sütterlin-Waack (CDU) Unterstützung für eine einheitliche Regelung. In ihrem Bundeslang liegt die Grenze bei sechs Gramm. "Sie wäre aus unserer Sicht eine gute Regelung", sagte Sütterlin-Waack.

Mit Material der dpa

Zitiervorschlag

Markus Sehl, Justizministerkonferenz der Länder: . In: Legal Tribune Online, 06.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28985 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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