Ergebnisse der 70. Jahrestagung der OLG-Präsidenten: Ein­fache Mus­ter­fest­stel­lungs­klage, pra­xi­s­taug­liche Straf­ver­fahren

30.05.2018

Bei der Jahrestagung der OLG- und BGH-Präsidenten fordern die Teilnehmer Verbesserungen an der geplanten Musterfeststellungsklage. Auch die Kammern für Handelssachen* an den Landgerichten und das Strafverfahren sollen verbessert werden.

Am Mittwoch ist in Stuttgart unter dem Vorsitz der Präsidentin des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart Cornelia Horz die 70. Jahrestagung der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts und des Bundesgerichtshofs zu Ende gegangen. Die Tagung, die sich als "Sprachrohr der Gerichtspraxis" gegenüber den anderen Staatsgewalten und der Öffentlichkeit versteht, hat rechtspolitische Fragestellungen und Themen der Justizverwaltung erörtert.

Einer der Schwerpunkte war die Diskussion über die geplante Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage. Die Gerichtspräsidenten unterstützen zwar das Anliegen, die Rechtsdurchsetzung für Verbraucher zu verbessern. Sie sind allerdings der Ansicht, dass die derzeit geplanten gesetzlichen Regelungen die damit verbundenen und in der Öffentlichkeit vielfach beschriebenen Erwartungen nicht werden erfüllen können.

Ein Problem sei, dass strittige Fragen zwar zentral geklärt würden, Verbraucher aber in einem zweiten Schritt ihre konkreten Ansprüche individuell geltend machen müssten, sagte Peter Küspert, Präsident des OLG München. Ein wesentlich besserer Weg sei ein beschleunigtes Musterklageverfahren, das mit wenigen Gesetzesänderungen in den bewährten Strukturen entwickelt werden könnte. Bis zu deren Inkrafttreten fordern die Präsidenten eine Regelung, die den Eintritt der Verjährung dieser Ansprüche verhindert. Auch für die Geltendmachung von Bagatell- oder Streuschäden bringe der Gesetzentwurf der Bundesregierung keine entscheidende Verbesserung.

Strukturelle Stärkung der Kammern für Handelssachen

Gedacht ist das Klageinstrument für Fälle, in denen viele Verbraucher auf gleiche Weise Schaden erlitten haben - etwa bei unerlaubten Strompreiserhöhungen und unzulässigen Bankgebühren. Zunächst sollen Verbraucherschutzverbände die juristische Auseinandersetzung übernehmen.

Bislang landen solche Fälle oft nicht vor Gericht, weil es für den Einzelnen aufwendig und riskant ist, in einen juristischen Streit mit großen Konzernen einzusteigen. Das soll sich nun ändern. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hatte versprochen, dass die "Einer-für-alle-Klage" noch in diesem Jahr komme, damit auch Geschädigte des VW-Skandals davon profitieren könnten.

Die Teilnehmer forderten außerdem eine strukturelle Stärkung der Kammer für Handelssachen bei den Landgerichten. Dadurch soll die Kompetenz und Attraktivität deutscher Gerichte für Handels- und Wirtschaftssachen mit nationalem und internationalem Bezug steigern. Einige Landgerichte, wie das LG in Frankfurt, haben dafür bereits englischsprachige Kammern eingerichtet, NRWs Justizminister Peter Biesenbach forderte dafür zuletzt Änderungen verschiedener rechtlicher Rahmenbedingungen auf Bundesebene.

Praxisgerechteres Strafverfahren und Aufklärung über NS-Unrecht

Auch die Forderung des zweiten bundesweiten Strafkammertags, das Strafverfahren weiter praxisgerecht zu verbessern, wird von den Tagungsteilnehmern ausdrücklich unterstützt. Damals hatten der Strafkammertag Vorschläge etwa zu einem zügigen Verfahrensfortgang nach Befangenheitsanträgen oder nach Besetzungsrügen erarbeitet. Der Gesetzgeber solle nach dem Willen der Teilnehmer an der Tagung heute die Vorschläge der strafgerichtlichen Praxis, die auch bereits teilweise in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurden, bei der anstehenden Reform berücksichtigen.

Zudem wollen die Tagungsteilnehmer den Dialog über die Aufarbeitung von NS-Unrecht in der Justiz fördern. Dazu wollen sie auch zukünftig Initiativen und Projekte initiieren, fördern und unterstützen, mit denen das Thema NS-Justiz, aber auch der Umgang damit in der Nachkriegszeit, in zeitgemäßer Form aufgearbeitet wird. Sie sprechen sich darüber hinaus dafür aus, die Bedeutung des Themas Justizunrecht für das richterliche Ethos auch zum Gegenstand der Juristenausbildung zu machen.

acr/LTO-Redaktion

*Anm. d. Redaktion, geändert am 31.05.2018, 14.21 Uhr, zuvor hatten wir geschrieben "Handelskammern"

Zitiervorschlag

Ergebnisse der 70. Jahrestagung der OLG-Präsidenten: . In: Legal Tribune Online, 30.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28893 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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