Streit um richterliches Erledigungspensum: Schulte-Kel­ling­haus schei­tert erneut vor dem BVerfG

23.11.2021

Seit Jahren wehrt sich OLG-Richter Thomas Schulte-Kellinghaus gegen eine Ermahnung zu seinem Arbeitstempo. Das BVerfG hat jetzt zum zweiten Mal eine Verfassungsbeschwerde des Richters nicht zur Entscheidung angenommen. 

Im langjährigen Streit um sein Arbeitstempo und sein Erledigungspensum hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine zweite Verfassungsbeschwerde des Richters Thomas Schulte-Kellinghaus nicht zur Entscheidung angenommen. Wie das Karlsruher Gericht am Dienstag mitteilte, sei die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil Schulte-Kellinghaus eine Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit nicht substantiiert dargelegt habe (Beschl. v. 11.11.2021, Az. 2 BvR 1473/20). 

Schulte-Kellinghaus ist Zivilrichter am Freiburger Außensenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe. Die ehemalige OLG-Präsidentin Christine Hügel hatte die Erledigungszahlen von Schulte-Kellinghaus mit dem Pensum anderer Richter:innen am OLG Karlsruhe verglichen und kritisiert, er unterschreite das durchschnittliche Erledigungspensum "ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessenden Toleranzbereiche". In den Jahren 2008 bis 2010 habe seine Erledigungsleistung nur etwa 68 Prozent der von anderen OLG-Richter:innen in diesem Zeitraum durchschnittlich erledigten Verfahren entsprochen. 2011 habe er sogar weniger Verfahren als ein Halbtagsrichter erledigt. 

Schulte-Kellinghaus sieht in der Rüge einen Eingriff in seine richterliche Unabhängigkeit. Seit nunmehr neun Jahren zieht er deswegen schon durch die Instanzen. Das baden-württembergische Dienstgericht und der Dienstgerichtshof (DGH) beim OLG Stuttgart hatten Hügels Ermahnung zunächst bestätigt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil im November 2017 allerdings auf und verwies zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den DGH zurück. Gegen diese Entscheidung erhob Schulte-Kellinghaus bereits Verfassungsbeschwerde, die aber als unzulässig zurückgewiesen wurde

Im August 2019 unterlag der inzwischen als "langsamer Richter" bekannt gewordene Schulte-Kellinghaus dann erneut vor dem DGH. Auch dagegen zog er wieder vor den BGH, der die Rüge im Mai 2020 ebenfalls bestätigte

Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend substantiiert begründet

Nun blieb auch der zweite Versuch des Richters, das BVerfG zu einer Entscheidung zu bringen, ohne Erfolg. Schulte-Kellinghaus habe die Möglichkeit einer Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit nicht substantiiert dargelegt. "Ob der Vorhalt und die Ermahnung den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die richterliche Unabhängigkeit inhaltlich in vollem Umfang genügen, muss daher offenbleiben", hieß es am Dienstag in einer Mitteilung des Karlsruher Gerichts.

Schulte-Kellinghaus hatte geltend gemacht, die OLG-Präsidentin habe ihn mit der Ermahnung zur Erzielung bestimmter Durchschnittszahlen aufgefordert und dadurch seine richterliche Unabhängigkeit verletzt. Der DGH hatte in seiner Entscheidung aber ausgeführt, dass die Rüge so zu verstehen sei, dass der Richter "selbst seine Arbeitsweise reflektieren kann auf etwaige Vorgehensweisen, die ihn unnötig viel Zeit kosten, ohne dass sich dies auf die Prüfung der einzelnen Fälle oder allgemein die Qualität der Rechtsprechung auswirken könnte." Dies betreffe nicht die eigentliche Rechtsprechung oder Sorgfalt bei der Bearbeitung der Verfahren, sondern beispielsweise organisatorische Aspekte. Auch das Dienstgericht des Bundes hatte festgestellt, dass die in dem Vorhalt enthaltene Aufforderung, die Arbeitsweise zu ändern, gerade nicht bedeute, in einem bestimmten Sinn zu entscheiden oder das Amt in einer bestimmten Richtung auszuüben. 

Dass diese Auslegung der Ermahnung unvertretbar sei, habe Schulte-Kellinghaus laut BVerfG in seiner Verfassungsbeschwerde nicht aufgezeigt. Der Richter hatte darüber hinaus vorgetragen, er ziehe nicht in Zweifel, dass seine Kolleginnen und Kollegen am OLG ihre Entscheidungen im sachgerecht und an das Gesetz gebunden träfen. Das BVerfG betonte, dass sich die Ermahnung aber gerade an der Erledigungsleistung seiner Kolleginnen und Kollegen orientiere. Schulte-Kellinghaus sei es nicht gelungen, "nachvollziehbar zu begründen, dass er selbst ‒ anders als seine Kolleginnen und Kollegen ‒ dem Vorhalt nur durch eine Änderung der Rechtsanwendung nachkommen könnte, die von ihm nur unter Verletzung seiner richterlichen Unabhängigkeit verlangt werden könnte."

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Streit um richterliches Erledigungspensum: . In: Legal Tribune Online, 23.11.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46729 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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