Richter und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen mit drei oder mehr Kindern wurden von ihrem Dienstherren zu schlecht bezahlt, so das BVerfG. Sie dürften nicht vor die Wahl zwischen amtsangemessener Lebensführung oder Familie gestellt werden.
Das Land Nordrhein-Westfalen muss kinderreiche Richter und Staatsanwälte mit drei oder mehr Sprösslingen besser bezahlen. Das stellte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung klar. "Angemessen" bedeutet für die Karlsruher Richter, dass die zusätzlichen Leistungen ab dem dritten Kind um mindestens 15 Prozent über der sozialen Grundsicherung liegen. In Nordrhein-Westfalen war das in den Jahren 2013 bis 2015 in der Besoldungsgruppe R2 nicht gegeben (Beschl. v. 04.05.2020, Az. 2 BvL 6/17 u.a.).
Das BVerfG prüfte die Besoldung nach einer Vorlage des Verwaltungsgerichts (VG) Köln. Dort hatten ein Vorsitzender Richter am Landgericht (LG) mit drei Kindern (für 2013) und ein Richter am Finanzgericht (FG) mit vier Kindern (für 2014 und 2015) geklagt. Sie forderten von ihrem Dienstherren höhere Leistungen. Dabei beriefen sie sich auf eine Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 1998. In Köln war man allerdings der Auffassung, dass man auf dieser Grundlage nicht mehr Geld zusprechen könne, weil die Berechnungsmethode von damals inzwischen veraltet sei.
Dass Beamte und Richter mit ihren Familien lebenslang amtsangemessen alimentiert werden müssen, leitet sich aus § 33 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) ab. Dabei ist auch die Zahl der Kinder von Bedeutung. Die Besoldung sei "so zu regeln, dass Richter und Beamte nicht vor die Wahl gestellt werden, entweder eine ihrem Amt angemessene Lebensführung aufrechtzuerhalten oder, unter Verzicht darauf, eine Familie zu haben und diese entsprechend den damit übernommenen Verpflichtungen angemessen zu unterhalten", so der Zweite Senat.
Alimentation ab dem dritten Kind zu niedrig
Die Verfassungsrichter gehen in ihrer Entscheidung davon aus, dass Richter und Staatsanwälte in NRW mit Familien von bis zu zwei Kindern ausreichend Geld bekommen. Der Bedarf der weiteren Kinder ist ihrer Auffasung nach in NRW aber deutlich zu niedrig bemessen. Der Landesgesetzgeber solle sich bei der Korrektur dieses Missstands an der sozialen Grundsicherung orientieren, so das BVerfG. Weil eine angemessene Alimentation aber etwas anderes als ein äußerster Mindestbedarf sei, müsse dies in einem Aufschlag von mindestens 15 Prozent deutlich werden.
Ob die Dienstbezüge noch amtsangemessen sind, beurteilt sich nach der Entscheidung des BVerfG anhand des Nettoeinkommens. Nach den Berechnungen der Karlsruher Richter wurde in den zu prüfenden Zeiträumen "nicht einmal der grundsicherungsrechtliche Gesamtbedarf für ein Kind durch die bei steigender Kinderzahl gewährten Nettomehrbeträge ausgeglichen."
Die Regelungen müssen nun bis spätestens Ende Juli 2021 überarbeitet werden. Rückwirkend mehr Geld gibt es allerdings nicht - es sei denn, die Betroffenen haben bereits geklagt. Ob die aktuelle Besoldung und das Niveau in anderen Besoldungsgruppen in NRW und anderswo den Vorgaben entspricht, wurde nicht geprüft.
Erst am Dienstag war hatte das BVerfG eine Entscheidung veröffentlicht, nach der die Richterbesoldung in Berlin zwischen 2009 und 2015 in bestimmten Gruppen zu niedrig und damit verfassungswidrig war. Die Richterbesoldung war jahrzehntelang Aufgabe des Bundes. Seit 2006 haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung der Landesbeamten.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
BVerfG zur Besoldung in NRW: . In: Legal Tribune Online, 29.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42340 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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