Streit um Prüfungsrecht: Darf der Rech­nungshof die RAK kon­trol­lieren?

von Prof. Dr. Winfried Kluth

10.08.2017

In Brandenburg wehrt sich die örtliche RAK gerichtlich gegen die Überprüfung durch den Landesrechnungshof. Wie es zu dem Streit kam und in welchem Verhältnis Haushaltskontrolleure und Berufskammern stehen, erklärt Winfried Kluth.

Berufskammern und Rechnungshöfe haben eines gemeinsam: Sie verfügen über eine weitreichende Eigenständigkeit und Unabhängigkeit. Bei der Berufskammern ist die rechtliche Grundlage dafür das Selbstverwaltungsrecht und bei den Rechnungshöfen eine der richterlichen Unabhängigkeit entsprechende Prüfungsautonomie.

Treffen diese beiden Institutionen in der Praxis aufeinander, sind Konflikte in vielen Fällen vorgezeichnet. Keiner will sich – jenseits der Einhaltung von Gesetzen – bei seiner Tätigkeit Vorgaben machen lassen. Da die Kammern entscheiden und die Rechnungshöfe daraufhin prüfen und bewerten, haben letztere in der Praxis das letzte Wort.

Das kann eine Kammer nur verhindern, wenn sie das Prüfungsrecht in Frage stellt. Diesen Weg beschreitet derzeit die Rechtsanwaltskammer (RAK) Brandenburg. Damit lohnt sich ein Blick hinter die rechtlichen Kulissen eines solchen Streits.

Die zwei verschiedenen Perspektiven

Bei den Kammern basiert das Selbstbewusstsein, richtig entschieden zu haben, auf dem Recht, selbst über die Zweckmäßigkeit der im Rahmen der Gesetze zu treffenden Entscheidungen zu befinden. Dieses bezieht sich auch auf die Frage, welche Art der Ausführung wirtschaftlich ist. Denn Wirtschaftlichkeit ist zwar haushaltsrechtlich als allgemeiner und verpflichtender Grundsatz vorgegeben, in der Umsetzung aber (auch) eine Frage der Zweckmäßigkeit. Gesetzlich sind die Kammern (nur) verpflichtet, die Wirtschaftlichkeit zu prüfen und zu begründen. Dabei sind unterschiedliche Ergebnisse rechtlich ohne Weiteres möglich.

Die Rechnungshöfe berufen sich auf einen verfassungsrechtlichen Auftrag zur unabhängigen Prüfung und gehen anders an die Thematik heran: Sie prüfen neben der Einhaltung der formalen Vorgaben der Haushaltsführung auch auf der Basis ihrer eigenen Vorstellung umfassend die Wirtschaftlichkeit des Kammerhandelns. Dabei kommen sie nicht selten zu anderen Ergebnissen darüber, wie eine optimale Entscheidung auszusehen hat.

Dies können sie in einem Prüfbericht dokumentieren, der den geprüften Stellen und der Staatsaufsicht zugeleitet und später auch veröffentlicht wird. Eine bindende Wirkung wie bei einer beanstandenden Entscheidung der Staatsaufsicht, der auch die Kammern unterliegen, ist damit aber nicht verbunden.

Auch ohne Bindungswirkung entsteht Druck

Negative Prüfberichte sind für die Kammern trotz der vergleichsweise geringen Bindungswirkung nicht folgenlos, weil sie etwa durch die Staatsaufsicht als Grundlage eigener Maßnahmen zugrunde gelegt werden können und natürlich zu politischer und öffentlicher Kritik führen können. Deshalb wird von betroffenen Kammern immer wieder das Recht der Rechnungshöfe zur Prüfung der Kammern bestritten, wie aktuell eben durch die RAK Brandenburg.

Mit Blick auf die gesetzlichen Grundlagen der Rechnungshofkontrolle in den Landeshaushaltsordnungen (§§ 105 ff. und insbes. § 111 der weitgehend inhaltsgleichen Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder) steht ein Prüfungsrecht gegenüber den Kammern als landesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts grundsätzlich außer Frage - es sei denn, dass gesetzlich für eine Kammer eine abweichende Regelung, zum Beispiel ein besonderes Prüfungsverfahren durch eine zu diesem Zweck geschaffene Stelle, geregelt ist.

Dabei reichen kammerinterne Regelungen und die Etablierung interner Kontrolleinrichtungen in der Regel jedoch nicht aus. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat deshalb wie andere Verwaltungsgerichte zuvor entsprechende Klagen von Kammern immer abgewiesen und das Prüfungsrecht der Landesrechnungshöfe bejaht (grundlegend: BVerwG, Urt. v.  30.9.2009, Az. 8 C 5/09). Das Verfahren in Brandenburg, zu dem Einzelheiten nicht bekannt sind, wird sich um diese Frage drehen.

Inhaltlich sind die Kammern an die allgemeinen Grundsätze des Haushaltsrechts (§§ 1 bis 87 der Haushaltsordnungen), nicht aber an alle Details gebunden, die für die unmittelbare Staatsverwaltung gelten, insbesondere nicht an die für diesen Bereich gültigen Erlasse. Das hat zur Folge, dass das Selbstverwaltungsrecht der Kammern auch im Haushaltsbereich beachtet werden kann und größer Spielräume bestehen. Rechtswidrig sind deshalb nur schlechterdings mit dem Haushaltsrechts unvereinbare Entscheidungen und nur diese können durch die Staatsaufsicht beanstandet werden.

Und warum überhaupt kontrollieren?

Aus der Sicht der Kammern stellt sich oft die Frage, warum neben der Staatsaufsicht, die sich auch auf den Haushaltsbereich erstreckt, zusätzlich noch eine Rechnungshofkontrolle durchgeführt werden soll, zumal die Mitarbeiter eher mit der allgemeinen Staatsverwaltung als mit der beruflichen Selbstverwaltung vertraut sind.

Die Antwort gibt das Verfassungsrecht, das in Art. 114 Grundgesetz und den inhaltlich gleichlautenden Regelungen der Landesverfassungen eine unabhängige Rechnungshofkontrolle zum Schutz der Interessen der Steuer- und Beitragszahler sowie zur Förderung des Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit als ein Element von checks and balances im finanziell anspruchsvollen Leistungsstaat für erforderlich hält. Dem sollten sich auch die Kammern nicht widersetzen und darin vielmehr eine Chance sehen, ihr eigenes Steuerungssystem im Dialog mit den Experten der Rechnungshöfe zu verbessern.

Das heißt andererseits nicht, dass über die Fragen des Ob und Wie der Rechnungshofkontrolle nicht gerichtlich gestritten werden kann oder sollte. Denn auch in diesem Bereich sind jenseits der Grundsätze viele Einzelfragen offen – und über die Anwendung im Einzelfall lässt sich bekannt immer trefflich streiten. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann und sollte dabei beiden Akteuren helfen, einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss zu finden.

Der Autor Prof. Dr. Winfried Kluth ist Professor für Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Vorstandsvorsitzender des Instituts für Kammerrecht e. V.

Zitiervorschlag

Streit um Prüfungsrecht: . In: Legal Tribune Online, 10.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23889 (abgerufen am: 14.11.2024 )

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