Wahlprogramme – Teil 7: Mindestlohn als Betondecke zum Keller

von Claudia Kornmeier

02.09.2013

2/2: Unverzerrter Marktlohn

Waltermann hält einen gesetzlichen Mindestlohn für notwendig, „um eine augenfällige Marktverzerrung im Niedriglohnsektor auszugleichen." Die Marktverzerrung rühre daher, dass die Arbeitgeber die Aufstockung niedriger Arbeitsentgelte durch "Hartz IV" beim Vertragsschluss im Niedriglohnbereich einkalkulierten. Einen unverzerrten Markt gebe es im Niedriglohnsektor nicht und im Niedriglohnsektor gebe es auch keine funktionierende Tarifautonomie.

"Dem entgegenzuwirken, ist Aufgabe des Staates, wenn die Tarifautonomie dies nicht von sich aus schafft." Für einen Mindestlohn als Betondecke zum Kellergeschoss der Arbeitsentgelte spreche übrigens auch, dass die niedrigen Löhne von heute sich morgen in niedrigen Renten wiederfinden würden.

Forkel geht dagegen davon aus, dass es in der Regel einen unverzerrten Marktlohn gibt. Dass Arbeitgeber im Einzelfall staatliche Transferleistungen einkalkulieren, sei aber natürlich nicht auszuschließen. Berücksichtigen müsse man dies aber bei der Zahlung staatlicher Sozialleistungen. "Das wäre der richtige Ansatzpunkt."

Experte hält bisherige Gesetze für nicht zielführend

2009 führte der Gesetzgeber mit einer Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) die Möglichkeit ein, von den Tarifpartnern ausgehandelte, branchenbezogene Mindestlöhne von der Bundesregierung für allgemeinverbindlich erklären zu lassen. An die ausgehandelten Löhne sollen sich dann also nicht nur die Arbeitgeber halten müssen, die sich einem Tarifvertrag unterworfen haben, sondern alle in der Branche tätigen Unternehmen.

Außerdem wurde das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (MiArbG) erlassen. Danach kann die Bundesregierung für einen Wirtschaftszweig Mindestlöhne festsetzen, wenn dort bundesweit die tarifgebundenen Arbeitgeber hauptsächlich Mitarbeiter beschäftigen, die nicht unter den Geltungsbereich dieser Tarifverträge fallen. Die Bundesregierung agiert dabei auf Empfehlung eines beim Bundesarbeitsministerium eingerichteten Ausschusses, der soziale Verwerfungen in einer Branche feststellen soll. Die Arbeitgeber aus dem In- und Ausland sind anschließend unter Bußgeldandrohung verpflichtet, die festgelegten Mindestlöhne zu zahlen.

Waltermann hält diese Gesetze für zu kompliziert und nicht zielführend. "Das MiArbG ist bisher auch nicht angewandt worden." Die branchenbezogenen Mindestlöhne erreichten nicht alle Wirtschaftszweige und nicht alle von niedrigen Entgelten betroffenen Arbeitsnehmer. Wer durch einen Mindestlohn geschützt werde und wer nicht, könnte dabei ohne sachliche Rechtfertigung bleiben.

Sittenwidrige Löhne

Der letzte Versuch, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, hat es vor der Sommerpause und damit vor dem Ende der Legislaturperiode nicht mehr aus den Ausschüssen hinaus in eine zweite und dritte Lesung im Bundestags-Plenum geschafft (BT-Drs. 17/12857).

Nachdem sich in der Folge der Niedersachsenwahl im Bundesrat die Mehrheitsverhältnisse geändert hatten, beschlossen die von den Oppositionsparteien geführten Bundesländer einen Entwurf für ein Mindestlohngesetz. 8,50 Euro pro Stunde soll es danach geben. Wer diesen nicht zahlt, dem soll eine Geldbuße in Höhe von bis zu 500.000 Euro drohen.

Eine Untergrenze gibt es auch ohne neues Gesetz – die Sittenwidrigkeit. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Lohn und Arbeitsleistung im Sinne von § 138 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch liegt nach dem Bundesarbeitsgericht vor, wenn die Vergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht (Urt. v. 22.04.2009, Az. 5 AZR 436/08).

Wahlprogramme – Teil 6: Für transparenten Lobbyismus in der Gesetzgebung

Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, Wahlprogramme – Teil 7: . In: Legal Tribune Online, 02.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9475 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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