2/2: Verbots- und Verfolgungschaos vorprogrammiert
Überdies dürfte die Regelung auch aus polizeilicher Sicht kaum Vorteile bieten. Das Ziel des Gesetzgebers, der glaubt, mittels des erweiterten Kennzeichenverbots einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung organisierter Kriminalität leisten zu können, wird sich so nicht erreichen lassen. Denn: So wenig wie man mit Videoüberwachung terroristische Anschläge verhindern kann, kann man mittels des Verbots von Symbolen und Vereinswappen gegen Menschenhandel und Drogenkriminalität vorgehen.
Zudem zeigen die Erfahrungen der vergangenen Jahre und insbesondere der vergangen Phasen der gegen Rockergruppierungen gerichteten Kennzeichenverbote, dass die Strafverfolgungsbehörden mit der Umsetzung der Verbotspraxis überfordert sind. Die innerhalb der Rockergruppen verwendeten Wappen, Symbole, Parolen, Buchstaben- und Zahlenkombinationen sind zu vielfältig, als dass man sie dem strafbewährten Begriff des Vereinskennzeichens ohne weiteres zuordnen könnte. In der Folge wird sich ein Verbots- und Verfolgungschaos einstellen, das durch die unterschiedlichen Landeszuständigkeiten noch verstärkt wird.
Wenig zur Erhellung dürfte beispielsweise die aktuelle Erlasslage in Nordrhein-Westfalen beitragen. Dort sollen einerseits die Verwendung des Schriftzuges "Hells Angels" sowie das Zeigen des von dieser Gruppierung genutzten "Deathheads" verfolgt werden, andererseits aber auch nur ganz pauschal die aus Namenszug, "Wappentier" und regionaler Zuordnung bestehenden Gesamtkennzeichen weiterer Rockervereine. An einer zweifelsfreien Definition vereinsrechtlicher Kennzeichen orientiert sich eine solche polizeiliche Praxis nicht.
Diese unklare und uneinheitliche Verbotspraxis führte bereits in der Vergangenheit dazu, dass Behörden aus Frust von der Strafverfolgung abließen oder gar einen selbst das Verbot von Städtenamen umfassenden Null-Toleranz-Ansatz wählten. Auch die Rechtsprechung schafft insoweit leider kaum praktikable Ansatzpunkte. So wird etwa seit dem BGH-Urteil zu sogenannten Rockerkutten hinsichtlich jedes einzelnen Symbols zu prüfen sein, ob dieses "zumindest auch" als Kennzeichen eines verbotenen Vereins "erscheint".
Vereinskennzeichen nicht nur an Kutten und Körpern
Dass auf die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte mit dem neuen VereinsG viel Arbeit zukommen wird, lässt sich überdies an den zahlreichen Verwendungsformen der Vereinssymbole verdeutlichen. So schmücken etwa der "Deathhead" der Hells Angels oder der "Fat Mexican" der Bandidos nicht nur Kutten und Körper in Form von Schmuck und Tätowierungen, sondern auch Gebäudefassaden, Internetseiten, Motorräder und vieles andere mehr. Die Strafverfolgungsbehörden sollten vor dem Hintergrund der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Zweifel mit Augenmaß und größter Zurückhaltung agieren.
Doch auch eine solche moderate Vollzugspraxis ändert nichts daran, dass mit dem neuen Kennzeichenverbot rund 10.000 Angehörige einer auf lange Traditionen zurückblickenden Subkultur pauschal der organisierten Kriminalität zugeordnet und einem Generalverdacht ausgesetzt werden, der hinsichtlich anderer gesellschaftlicher Randgruppen nachdrücklich abgelehnt wird. Eine Politik, die mit zweierlei Maß misst und auf dem Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung Symbole verfolgt, macht sich angreifbar und unglaubwürdig. Eine Polizei, die mit hohem personellen und finanziellen Aufwand Rockerkutten hinterherjagt, vergeudet wertvolle Ressourcen, die dringender auf dem Gebiet der Bekämpfung "echter Kriminalität" und des Terrorismus benötigt werden.
Der Autor Ass. jur. Florian Albrecht M.A. ist Rechtslehrer und Kriminologe. Er ist Mitherausgeber und -autor eines im Beck Verlag erschienenen Kommentars zum Vereinsgesetz. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.
Florian Albrecht, Verschärftes Kennzeichenverbot: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22425 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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