Nicht so züchtig wie als TV-Nonne in der ARD-Serie "Um Himmels Willen": Schauspielerin Antje Mönning tanzte leicht bekleidet auf einem Parkplatz – vor zwei Zivilbeamten. Die zeigten sie an. Dabei ist Exhibitionismus nur für Männer strafbar.
In Zeiten, in denen Film, Fernsehen und die gesamte Popkultur vor Sex schier überquellen, sollte man meinen, dass Nacktheit in der Öffentlichkeit kein allzu großes Empörungspotential mehr hätte; jedenfalls außerhalb von besonders unpassenden Orten wie Kirchen oder ähnlichem. Vielleicht aber ist auch ein Parkplatz ein genau solcher unpassender Ort, zumindest wenn er im Allgäu liegt.
Dort trug sich im Juni dieses Jahres ein eher ungewöhnliches Schauspiel zu. Ganz im Wortsinne, denn die Frau, die darin die Hauptrolle spielte, ist tatsächlich hauptberufliche Aktrice. Antje Mönning, mehr oder minder bekannt als Nonne Jenny Marquard in der ARD-Abendserie „Um Himmels Willen“, hatte mit ihrem Auto auf einem Parkplatz gehalten, wo sie das Interesse einiger Zuschauer erweckte. Grund war ihr freizügiger Auftritt, bekleidet nur mit einer durchsichtigen Bluse und einem knappen Rock, darunter keine Unterwäsche. So ausstaffiert posierte sie – womöglich nach dem Vorbild ihrer TV-Figur, die vor dem Nonnendasein offenbar auch eine Karriere als Stripperin durchlebt hat – lasziv neben ihrem Wagen.
Dummerweise waren dabei auch zwei Zivilbeamte zugegen. Und die filmten Mönning, die nun zu allem Überfluss auch noch ihren Rock anhob, mit ihrer Verkehrsüberwachungskamera aus dem Auto heraus. Damit nicht genug, sie schrieben auch einen Bericht und überreichten ihn der zuständigen Staatsanwaltschaft. Die ließ der Schauspielerin einen Strafbefehl über 1.200 Euro zukommen. Grund: Erregung öffentlichen Ärgernisses, § 183a Strafgesetzbuch (StGB).
Strafbarkeitslücke für weibliche Exhibitionisten
Schaut man sich diese Norm aber näher an, dann erkennt man, dass ein Einspruch Mönnings wohl gute Aussicht auf Erfolg haben dürfte – selbst im Allgäu. Denn die Vorschrift dürfte auf ihr Verhalten nicht ganz passen. Sie verlangt, dass jemand "öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt".
Der Begriff der sexuellen Handlung aber ist im Sexualstrafrecht wohl der diffuseste Rechtsbegriff, obgleich in § 184h sogar legaldefiniert. Dort heißt es aber nur, sexuelle Handlungen seien "solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind". Und auch die Rechtsgelehrten helfen dem Anwender scheinbar kaum weiter: Jede körperliche Berührung, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild und ihrem sozialen Sinn sexualbezogen ist, soll demnach eine sexuelle Handlung sein, definiert ein Strafrechtskommentar (Frommel, Kindhäuser/Neumann/Paeffgen 2017, § 184h, Rn. 1).
Popo-Wackeln und Röckchen-Heben als sexuelle Handlung in diesem Sinne? Für Mönnings Anwalt, den Münchner Strafverteidiger Dr. Alexander Stevens, ist der Fall klar: Wenn noch nicht einmal ein "Nackt-Flitzer" in einem Fußballstadion sich strafbar mache – dies sei laut höchstrichterlicher Rechtsprechung keine sexuelle Handlung - könne die Einlage Mönnings schon gar nicht den Tatbestand des § 183a StGB erfüllen, findet er. Bis dato hätten Gerichte auch "nur Fälle des öffentlichen Geschlechtsverkehrs oder das öffentliche Einführen diverser Gegenstände in die Geschlechtsorgane" als erhebliche sexuelle Handlung angesehen worden, so Stevens.
Warum aber stützt die Staatsanwaltschaft ihren Strafbefehl auf diese Vorschrift, wo man doch im deutschen Sexualstrafrecht nur eine Norm zurückgehen muss, um eine Vorschrift zu finden, die eigentlich viel besser auf den Fall Mönning passt? Schließlich stellt § 183 StGB explizit exhibitionistische Handlungen unter Strafe. Die Antwort ist einfach: Nur ein "Mann", so sagt es das Gesetz ausdrücklich, "der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft" – eine Frau hingegen nicht.
BVerfG: Die Frau "mütterlich" und "zärtlich", der Mann "hemmungslos"
Laut Verteidiger Stevens ist der Grund für diese noch immer so geltende Vorschrift ein überkommenes Verständnis von männlicher und weiblicher Sexualität. Dazu verweist der Strafrechtler auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus 1999 (Az. 2 BvR 398/99). Ein männlicher Exhibitionist hatte Verfassungsbeschwerde gegen seine Verurteilung nach § 183 erhoben. Er hielt die Norm für nicht verfassungsgemäß - und scheiterte damit bei den Karlsruher Richtern.
Das BVerfG stützte sich auf ein Urteil aus dem Jahr 1957 (Az. 1 BvR 550/52). Darin war es zwar nicht um Exhibitionismus gegangen, sondern um etwas, was den Richtern damals offenbar ebenso absonderlich erschien: die Strafbarkeit homosexueller Handlungen. Auch diese betraf nur Männer und zwar aus, gelinde gesagt, interessanten Gründen. Laut BVerfG 1957 verstieß die Vorschrift "nicht gegen den speziellen Gleichheitssatz der Abs. 2 und 3 des Art. 3 GG, weil der biologische Geschlechtsunterschied den Sachverhalt hier so entscheidend prägt, daß etwa vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktreten".
In der Entscheidung von 1957 ließen Deutschlands oberste Richter sich zu Äußerungen verleiten wie: "Diese Verschiedenheiten des Geschlechtslebens machen sich bei der Gleichgeschlechtlichkeit womöglich noch stärker geltend als bei heterosexuellen Beziehungen, da der auf Mutterschaft angelegte Organismus der Frau unwillkürlich den Weg weist, auch dann in einem übertragenen sozialen Sinne fraulich-mütterlich zu wirken, wenn sie biologisch nicht Mutter ist, während eine entsprechende Kompensation beim Manne fehlt. So gelingt der lesbisch veranlagten Frau das Durchhalten sexueller Abstinenz leichter, während der homosexuelle Mann dazu neigt, einem hemmungslosen Sexualbedürfnis zu verfallen."
Am Ende zog man den Schluss, dass "die männliche (Homo)Sexualität unvergleichlich viel stärker als die weibliche in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt, was wesentlich durch das größere weibliche Schamgefühl und die größere Zurückhaltung der Frau in Geschlechtsfragen bedingt" sein dürfe. "Die Verschiedenheit des Sozialbildes", so das BVerfG, "zeigt sich schließlich darin, daß angesichts des auch bei der Lesbierin vorhandenen Überwiegens zärtlicher Empfindungen über das rein Geschlechtlich(e) zwischen einer lesbischen Beziehung und einer zärtlichen Frauenfreundschaft kaum eine Grenze zu ziehen ist."
Über 40 Jahre später und damit immerhin kurz vor der Jahrtausendwende übertrugen die Karlsruher Richter diese Überlegungen aus dem Jahr 1957 auf den Exhibitionismus-Paragraphen. Weitere Erläuterungen dazu gab es nicht, die Entscheidungsgründe beschränken sich auf den lapidaren Hinweis "Art. 3 Abs. 2 und 3 GG ist auf diese Bestimmung des Sexualstrafrechts nicht anwendbar (vgl. BVerfGE 6, 389 <423 f.>)".
Expertenkommission plädierte für Reform
"Der Gesetzgeber und das Bundesverfassungsgericht sind trotz aller propagierten Gleichberechtigung nach wie vor der festen Überzeugung, dass die Präsentation des unbekleideten weiblichen Körpers nicht strafbar sein soll" kritisiert Rechtsanwalt Stevens.
Dabei ist es nicht etwa so, dass es bisher keine Reformbestrebungen gegen die Vorschrift des § 183 StGB gegeben hätte. So kam jüngst noch die vom damaligen Bundesjustizminister Heiko Maas eingesetzte Expertenkommission zu dem Schluss, dass im Sexualstrafrecht großer Änderungsbedarf bestehe – freilich noch nach der infolge der Kölner Silvesternacht im Schnellverfahren durchgepeitschten Reform. In ihrem Bericht plädierte die Kommission sogar für eine völlige Streichung des Exhibitionismus-Paragraphen.
"Exhibitionistische Handlungen führen zu keiner hinreichenden Gefährdung oder Verletzung des Rechtsgutes der sexuellen Selbstbestimmung, die vor dem Hintergrund des Ultima-Ratio-Prinzips eine Strafbarkeit rechtfertigt" stellten die Experten fest, weshalb die Norm abgeschafft gehöre. Wahlweise schlug man wenigstens eine geschlechtsneutrale Formulierung vor.
Passiert ist bis heute aber in dieser Richtung nichts. Der weibliche Exhibitionismus ist nach wie vor nicht strafbar und TV-Nonne Mönning muss sich nun wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verantworten. Sie geht gegen den Strafbefehl vor, ein Termin zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht (AG) Kaufbeuren ist für den 4. Dezember anberaumt.
TV-Nonne tanzte halbnackt vor Polizisten: . In: Legal Tribune Online, 16.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31535 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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