2/2: Tarifautonomie nicht ohne Grenzen
Ende Januar hatte auch der CSU-Vorstand ein Positionspapier beschlossen, welches nun in den Gesetzgebungsprozess eingespeist werden soll. Darin stellt die Partei ähnliche Forderungen auf wie die Arbeitsrechtler.
Auch die Christsozialen wollen künftig vor Streiks bei der Bahn und in anderen öffentlichen Bereichen zwingend ein Schlichtungsverfahren vor Streiks. Zudem will die CSU ebenfalls eine viertägige Ankündigungspflicht gesetzlich festschreiben.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund wirft der CSU einen Eingriff in die Tarifautonomie vor. Thüsing meint zu diesem Kritikpunkt, dass zwar auch die Gewerkschaften in der Daseinsvorsorge den Schutz der Koalitionsfreiheit genössen. Doch die Regelungen, welche die CSU und die Arbeitsrechtler vorschlagen, dienten auch dem Schutz dieser Tarifautonomie, denn sie stärkten die Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems, die soziale Akzeptanz des Arbeitskampfsystems und sie suchten den angemessenen Ausgleich mit den Interessen der Öffentlichkeit.
Geplantes Tarifeinheitsgesetz "nicht hilfreich"
Die Bundesregierung hat andere Pläne, um die Tarifkämpfe kleiner Gewerkschaften einzudämmen. Sie will im Mai das Tarifeinheitsgesetz verabschieden, es soll bis Sommer 2015 in Kraft treten. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) möchte darin das "betriebsbezogene Mehrheitsprinzip" wieder einführen, also nur noch den Tarifvertrag der Gewerkschaft gelten lassen, die in einem Betrieb die meisten Mitglieder hat, wenn sich mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb nicht einigen. Im Streitfall sollen die Arbeitsgerichte entscheiden.
Arbeitgeber und IG Metall begrüßten den Gesetzentwurf. Der Bonner Professor für Arbeitsrecht hält ihn aber für wichtige Probleme nicht hilfreich. Andrea Nahles versuche, die Tarifpluralität in Betrieben zu verhindern und das Entstehen neuer Spartengewerkschaften zu beschränken. Das wiederum hielten viele für nicht verfassungskonform.
Insbesondere die Grünen in Bund und Ländern sind strikt gegen das Vorhaben. Die gesetzliche Tarifeinheit sei ein Eingriff in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit und ein Angriff auf das Streikrecht, heißt es in einer Anfang Februar verbreiteten Erklärung der grünen Arbeitsmarkt-Experten im Bundestag und der grün mitregierten Länder. Auch der Beamtenbund, die Ärztegewerkschaft Marburger Bund und die Pilotengewerkschaft Cockpit hatten es scharf kritisiert. Der Vorsitzende von dbb beamtenbund und tarifunion, Klaus Dauderstädt, kündigte sogar den Weg vor das Bundesverfassungsgericht an, sollte die "Zwangstarifeinheit" wie geplant kommen.
Das Bundesarbeitsgericht hatte das bis dahin geltende Prinzip der Tarifeinheit 2010 gekippt. Die Koalition hatte nun monatelang über den Entwurf beraten, um ihn möglichst rechtssicher zu machen.
Mit Material von DPA.
Anne-Christine Herr, Gesetzesvorschlag zum Streik in der Daseinsvorsorge: . In: Legal Tribune Online, 27.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14800 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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