2/2: Anträge der Verteidigung & Verwertungsverbote
Die Vorschläge zur Effizienzsteigerung insbesondere in der Hauptverhandlung dürften die Zustimmung nicht nur des CSU-Politikers, sondern auch der OLG-Präsidenten finden. Diese hatten schon im Jahr 2010 eigene Vorschläge unterbreitet, um den Strafprozess effektiver und praxistauglicher zu gestalten. Befangenheitsanträge waren darin ein zentraler Punkt.
Nach ihrer wie auch nach Ansicht der Expertenkommission sollen diese, wenn der Vorsitzende das anordnet, nur schriftlich gestellt werden können. So würde die manchmal stundenlange mündliche Begründung der Verteidiger vermieden, welche vor den angeblich befangenen Richtern gehalten wird und nicht vor jenen, die über den Antrag entscheiden. Auch sollen kurz vor der Hauptverhandlung gestellte Befangenheitsanträge deren Beginn nicht mehr verzögern, sondern das Verfahren zumindest mit der Anklageverlesung seinen Anfang nehmen. Den Vorschlag der OLG-Richter, eine spezielle Kammer mit der Entscheidung über Befangenheitsanträge zu betrauen, greift die Kommission nicht auf.
Dafür findet sich aber die Idee, eine Frist für Beweisanträge aufzunehmen: Nach Abschluss der Beweisaufnahme soll der Vorsitzende diese bestimmen, danach gestellte Beweisanträge dann im Urteil ablehnen können.
Weiter soll die Verlesung nichtrichterlicher Vernehmungsprotokolle vereinfacht und die Möglichkeit geschaffen werden, eine Videoaufzeichnung einer richterlichen Vernehmung in die Hauptverhandlung einzuführen, wenn der Zeuge in dieser von einem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. Auch die Aufzeichnung einer Vernehmung des Beschuldigten soll möglich werden.
Vorschläge der OLG-Richter aus dem Jahr 2010, die Verfahrens(um)verteilung zwischen verschiedenen Strafkammern flexibler zu gestalten, finden sich in dem Entwurf der Kommission ebenso wenig wie die von den OLG vorgeschlagene Möglichkeit, die Bestellung eines Pflichtverteidigers zurück zu nehmen, wenn Verhandlungstermine mit diesem zeitnah nicht bestimmt weden können.
Rechtsmittelverfahren, Wiederaufnahme, Jugendstrafrecht
Im Revisionsverfahren lehnt die Kommission eine Ausweitung der per Beschluss (und ohne Hauptverhandlung) entscheidbaren Konstellationen zwar ab. Die häufig kritisierte Möglichkeit, eine Revision als "offensichtlich unbegründet" (o.u.) ohne Begründung zurück zu weisen, will sie jedoch beibehalten. Das Gericht schließe sich dabei in aller Regel den Ausführungen der Staatsanwaltschaft an, so dass die Gründe für den Beschuldigten erkennbar seien, heißt es. Weiche es von der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft ab, entspreche es schon jetzt allgemeiner Übung, dies im Beschluss kenntlich zu machen.
Auch die Möglichkeit, ein Verfahren wiederaufzunehmen, will die Kommission nicht ausweiten. Zuletzt brachte die Petition eines Vaters das Problem in die Schlagzeilen, der sich nach über 20 Jahren noch immer um die Wiederaufnahme des Strafverfahren gegen den damals freigesprochenen mutmaßlichen Mörder seiner Tochter bemüht. Aber auch neue technische Möglichkeiten wie die Auswertung und Zuordnung vor langer Zeit gesicherter DNA-Spuren sollten eine Wiederaufnahme zum Nachteil des Angeklagten nicht ermöglichen, erklärte die Kommission mit Hinweis auf verfassungsrechtliche Gründe. Und auch eine erweiterte Wiederaufnahme zu seinen Gunsten hält die Kommission nicht für nötig.
Bei der Vorstellung der Vorschläge sagte Heiko Maas am Nittwoch, er wolle zeitnah einen Entwurf zur Reform der StPO in das Gesetzgebungsverfahren einbringen. Der bislang vor allem durch die Schnelligkeit seiner Gesetzgebung auffallende Justizminister hatte bei der Auftragsvergabe im vergangenen Jahr zugesichert, die Kommission unter der Leitung von Marie Luise Graf-Schlicker, Ministerialdirektorin und Leiterin der Abteilung Rechtspflege im BMJV, selbstbestimmt und frei von inhaltlichen Vorgaben arbeiten zu lassen. Nach der Vorstellung sagte Maas, der Bericht enthalte "eine Reihe von guten und hilfreichen Empfehlungen für unsere weitere Arbeit".
Maas versicherte: "Wir werden uns die unterschiedlichen Vorschläge zu den einzelnen Themenfeldern sehr sorgsam ansehen und prüfen, in welcher Form wir den Empfehlungen nachkommen werden". Womöglich bieten sich da noch Chance für die Oberlandesgerichte und das Kammergericht. In einer gemeinsamen Presseerklärung regten sie im Anschluss an die Vorstellung am MIttwoch an, dabei doch auch ihre Vorschläge aus 2010 mit in den Blick zu nehmen.
Pia Lorenz, Expertenkommission zur StPO-Reform: . In: Legal Tribune Online, 13.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17181 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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