Eine Expertenkommission hat ihre Vorschläge zur Reform der StPO vorgestellt: Alle sollen mehr miteinander sprechen, aber weniger Anträge stellen. CDU und CSU kritisieren die Vorschläge, auch die OLG sehen offenbar anderen Reformbedarf.
Wieder einmal ging es schnell. Im Juli 2014 hatte Bundesjustiziminister Heiko Maas (SPD) eine Expertenkommission eingesetzt, die eine Reform der Strafprozessordnung (StPO) vorbereiten sollte. Im Koalitionsvertrag war vereinbart worden, dass das allgemeine Strafverfahren und das Jugendstrafverfahren "unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze effektiver und praxistauglicher ausgestaltet" werden.
Am heutigen Mittwoch hat die Kommission nach etwas über einem Jahr ihre Ergebnisse vorgestellt. Auf 170 Seiten schlagen hochrangige Praktiker, Wissenschaftler und Angehörige der Justizverwaltungen der Länder und aus Bundesministerien Änderungen vom Ermittlungs- bis zum Rechtsmittelverfahren vor.
Maas begrüßte bei der Vorstellung der Vorschläge am Mittwoch in Berlin, dass die Kommission ein besonderes Augenmerk auf die Verbesserung der Kommunikation, Dokumentation und Transparenz im Strafverfahren gelegt habe.
Mehr Kommunikation, mehr Organisation - mehr Deal?
Die Kommunikation der Beteiligten zu verbessern, ist sicherlich auch Ziel des nichtöffentlichen Erörterungstermins, welcher der Hauptverhandlung bei umfangreichen Strafvefahren vor dem Land- und Oberlandesgericht künftig vorangehen "soll". Die Verfahrensbeteiligten, ggf. inklusive der Nebenkläger, sollen darin Umfang und Struktur der geplanten Beweisaufnahme erörtern, damit die Belange der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft angemessen berücksichtigt werden.
Solche Gespräche sind bereits nach geltendem Recht möglich, finden laut der Kommission jedoch regelmäßig nicht statt. Dadurch entstünden von Beginn an Kommunikationsdefizite und folglich eine konfliktgeladene Atmosphäre, die teils vom Eindruck geprägt sei, das Gericht folge einem starren Programm, zum dem es gehört, Anträge der Verteidigung sämtlich abzulehnen. Das wiederum könne zu zeitaufwändigen und langwierigen Auseinandersetzungen, etwa über Beweisanträge, führen.
Der Gefahr, dass der Termin als "Einladung zur Führung von Verständigungsgesprächen missverstanden" werde, will die Kommission dadurch begegnen, dass die Gespräche "strikt auf die Planung des äußeren Ablaufs der Hauptverhandlung beschränkt werden" und auch dann stattfinden sollen, wenn die Möglichkeit einer Verständigung gar nicht erst im Raum steht.
Kommissionsmitglied Prof. Dr. Matthias Jahn stellte nach der Vorstellung der Reformvorschläge am Mittwoch gleichwohl einen deutlichen Bezug zum Urteil des Bundesverfassungsgericht her, welches die sogenannten Deals im Strafverfahren einschränkte. Er begrüßt das vorgesehene Mehr an Kommunikation und Konsens, fasst den Erörterungstermin aber dahin auf, dass zu diesem Anlass auch die ausdrückliche Aufforderung an die Verfahrensbeteiligten ergehen solle, die gesetzlichen Vorschriften zur Verständigung großzügig zu nutzen.
Mehr Verteidigerrechte, weniger Nebenklagevertreter
Die Rechte der Nebenklage will der Entwurf aus Praktikabilitätsgründen beschränken, indem bei großen Zahlen von Geschädigten Gruppen gebildet werden, die in der Hauptverhandlung gemeinsam durch einen Anwalt vertreten werden.
Umgekehrt soll die Position des Verteidigers gestärkt werden, indem dieser nicht erst bei der richterlichen und staatsanwaltlichen, sondern schon bei der polizeilichen Vernehmung ein Anwesenheits- und Fragerecht erhält; auch bei Tatortrekonstruktionen und Gegenüberstellungen soll er dabei sein dürfen. Über die Auswahl eines Sachverständigen sollte der Beschuldigte in der Regel angehört werden, meinen die Strafrechtler. In der Hauptverhandlung soll er das Recht bekommen, direkt auf die Verlesung der Anklage zu reagieren.
Im Ermittlungsverfahren soll er die Beiordnung eines Pflichtverteidigers beantragen dürfen. Jedenfalls bei schweren Tatvorwürfen oder schwierigen Sach- und Rechtsfragen sollten die Vernehmungen künftig nicht nur mitgeschrieben, sondern auch audiovsiuell aufgezeichnet werden. Fehler der Vernehmungsbeamten würden somit dokumentiert, Beweisverwertungsverbote leichter nachweisbar. Umgekehrt sieht die Kommission in der Aufzeichnung auch Vorteile für die Beamten, die sich gegen unberechtigte Vorwürfe der Verteidigung auf diesem Wege leichter wehren könnten.
Von CDU und CSU erntet das Papier massive Kritik, viele der Vorschläge seien praxisfern. Bayerns Justizminister Prof. Dr. Winfried Bauback nimmt besonders an der gleichfalls angeregten Möglichkeit einer Aufzeichnung der Hauptverhandlung Anstoß. Wer solches vorschlage, offenbare, "dass er den Auftrag, das Strafverfahren effektiver und praxistauglicher zu gestalten, nicht verstanden hat."
Weit erfreulicher findet Bauback die geplante Abschaffung des Richtervorbehalts bei Blutentnahmen im Straßenverkehr, weil der Richter deren Voraussetzungen sowieso nicht vor Ort überprüfen könne, sowie die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung. Die Regelung der derzeiten umstrittenen Praxis soll laut den Kommissionsmitgliedern dem Grundrechtsschutz Beschuldigter dienen, würde die Überwachungvon Voice-over-IP-Diensten wie Skype oder Whats App noch vor ihrer Verschlüsselung jedoch auch formell sanktionieren. Der Einsatz von V-Leuten - auch dies eine Ermittlungsmethode, an der sich die Geister scheiden - will die Kommission gleichfalls gesetzlich regeln.
Pia Lorenz, Expertenkommission zur StPO-Reform: . In: Legal Tribune Online, 13.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17181 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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