2/2: Generalanwalt: Deutsche Regelung unverhältnismäßig
In seinen Schlussanträgen vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass die entsprechende deutsche Regelung die in Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährte Dienstleistungsfreiheit verletzen würde (C-342/14). Die deutsche Regelung sei unverhältnismäßig.
Zwar stimmt er dem BFH zu, dass das Regelungsziel der deutschen Regelung, Verbraucher vor fehlerhafter Beratung und ihren – u. a. strafrechtlichen – Folgen zu schützen, im Allgemeininteresse liegt. Auch sei sie geeignet, dessen Erreichung zu gewährleisten. Sie gehe jedoch über das hinaus, was für das verfolgte Ziel erforderlich sei.
Als Beleg hierfür zieht er einen Vergleich innerhalb des deutschen Rechts herbei. § 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zähle eine große Zahl von Personen auf, die zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind, obwohl sie nicht den strengen Anforderungen an die Berufsqualifikation unterliegen. Hingegen sehe das StBerG für Steuerberatungsgesellschaften keine Möglichkeit vor, die Kenntnisse und Berufserfahrung der Personen, die sie leiten oder verwalten, oder ihrer Mitarbeiter zu berücksichtigen. Demnach sei der behauptete Verbraucherschutz nicht systematisch und in sich schlüssig.
Der Umgehung würde Tür und Tor geöffnet
Diese Argumentation ist jedoch nicht überzeugend. § 4 StBerG erteilt bestimmten dort aufgeführten Personen zwar die Befugnis zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen, grenzt aber genau ein, welche Befugnisse die jeweilige Personengruppe überhaupt hat. Damit stellt die Regelung sicher, dass die Berater nur in den Themenbereichen tätig sind, in denen sie die nötige Kompetenz haben.
Eine Steuerberatungsgesellschaft hingegen erhält per Gesetz immer eine umfassende Befugnis zur Steuerberatung. Sie ist genauso wie der geprüfte Steuerberater berechtigt, ihre Auftraggeber in Steuersachen einschließlich Steuerstraf- und Bußgeldsachen zu beraten und zu vertreten.
Insbesondere dürfen sie ihren Mandanten helfen, ihre Steuerangelegenheiten zu bearbeiten und ihre steuerlichen Pflichten, einschließlich Buchführungspflichten zu erfüllen, sowie diese steuerrechtlich zu beurteilen.
Da die Befugnis einer Gesellschaft identisch mit der eines geprüften Steuerberaters ist, stellt das Gesetz hier denklogisch dieselben Anforderungen an die leitenden Personen der Gesellschaft. Nur umfassend geprüfte Steuerberater sollen auch umfassend tätig werden können. Die Befugnis, die eine Steuerberatungsgesellschaft erhält, ist damit nicht mit einer nach § 4 StBerG erteilten zu vergleichen. Die Differenzierung zwischen den Befugnissen beruht auf dem Gedanken des Verbraucherschutzes und ist hierzu auch erforderlich.
Sollte der EuGH der Auffassung des Generalanwalts folgen, würde den Personen, welche die Anforderungen an die Berufsausübung als Steuerberater nicht erfüllen, Tür und Tor geöffnet, die strengen Anforderungen des deutschen Rechts durch Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft zu umgehen.
Ludmilla Maurer, MIntTax, ist Rechtsanwältin und Steuerberaterin bei Baker & McKenzie im Bereich Steuerrecht.
EuGH-Generalanwalt zu Steuerberatungsgesellschaften: . In: Legal Tribune Online, 03.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17091 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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