2/2: "Ich habe mich nicht als BMI-Vertreter verstanden"
LTO: Gibt es ein Sicherheitsgesetz, das abgeschafft werden sollte?
Wolff: Nein, das haben wir so genau nicht benannt. Das wäre uns zu konkret gewesen.
LTO: Und umgekehrt, brauchen wir mehr Gesetze?
Wolff: Das war die Position des BMI-Vertreters. Eine Forderung war etwa, den Nachrichtendiensten auch die Onlinedurchsuchung zu erlauben. Aber so richtig haben wir das nicht diskutiert. Das ist nur eine Einzelmeinung im Bericht.
LTO: War auch die Vorratsdatenspeicherung Thema?
Wolff: Eigentlich nicht richtig.
LTO: Das klingt, als hätten sich die unterschiedlichen Positionen von BMI und BMJ zur Sicherheitsgesetzgebung stark auf die Arbeit der Kommission ausgewirkt.
Wolff: Ja, das war sehr prägend. Es ist durchaus zu einem Kräftemessen der beiden Ministerien gekommen. Wir saßen bei unseren Verhandlungen auch immer in Fronten. Ich hatte persönlich den Eindruck, jeder Reformvorschlag der Kommission ist von der BMJ-Seite als Erfolg verstanden worden und jede Bestätigung des status quo von der BMI-Seite begrüßt worden.
Ich habe mich persönlich nicht als BMI-Vertreter verstanden, sondern als normaler Wissenschaftler und daher mitunter dem BMI, das mich bestellt hat, auch durchaus hin und wieder Kummer bereitet. Die anderen Sachverständigen haben aber sicherlich auch das vertreten, was sie für richtig halten. Sie können einem Bundestagsvizepräsident a.D. Burkard Hirsch oder einem Professor Matthias Bäcker nicht vorschreiben, was sie zu vertreten haben.
"Kaum eine Feststellung einstimmig getroffen"
LTO: In der Kommission saßen auch Mitarbeiter aus den Ministerien. Inwieweit ist da eine kritische und objektive Evaluation überhaupt möglich?
Wolff: Eine Evaluation haben wir nicht gemacht. Das war nicht unser Auftrag und das geht in sechs Monaten auch gar nicht. Wenn wir Wissenschaftler unter uns gewesen wären, wären die Diskussionen sicher anders verlaufen. Ob deshalb auch der Bericht anders ausgefallen wäre, weiß ich nicht. Ich glaube nicht, dass es einen Bericht einer Regierungskommission gibt, der so disparat Meinungen zusammenfasst wie dieser. Es gibt kaum eine Feststellung, die wir einstimmig getroffen haben.
Die anderen Sachverständigen fanden es übrigens nicht so störend, dass Vertreter aus den Ministerien anwesend waren, weil es eben eine Regierungskommission war.
LTO: Wäre eine Evaluation durch eine extern besetzte Kommission nicht sinnvoller gewesen?
Wolff: Bei den gesetzlichen Evaluationen hat man zwei Mal externe Experten beauftragt und das war jedes Mal eine Katastrophe, etwa bei der Überprüfung des Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz. Da wurden nur formale Kriterien kontrolliert und keinerlei inhaltliche Aussagen getroffen.
LTO: Erwarten Sie, dass die Ergebnisse der Kommission umgesetzt werden?
Wolff: Ich gehe davon aus, dass die Diskussion im Sicherheitsbereich weitergehen und der Bericht darauf Einfluss haben wird. Je nach politischer Konstellation kann ich mir vorstellen, dass einige Empfehlungen umgesetzt werden. Allerdings vielleicht nicht unbedingt wegen des Berichts, sondern eher wegen veränderter politischer Verhältnisse.
LTO: Der Bericht ist recht knapp vor dem Ende der Legislaturperiode vorgestellt worden. Wie viel Wahlkampf steckt da drin?
Wolff: Nach meinem Eindruck sehr viel. Im Grunde sind das die unterschiedlichen Positionen von FDP und CDU in Papier gegossen.
LTO: Herr Professor Wolff, vielen Dank für das Gespräch.
Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Staatsrecht und Verfassungsgeschichte an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder. Er war Mitglied der von BMJ und BMI eingesetzten Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung.
Das Interview führte Claudia Kornmeier.
Sicherheitsgesetze auf dem Prüfstand: . In: Legal Tribune Online, 28.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9451 (abgerufen am: 31.10.2024 )
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