Kurz vor dem Ende der Legislaturperiode legte die Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetze ihren Bericht vor. Viel Wahlkampf, wenig Spektakuläres, das ist das Fazit des Staatsrechtlers und Kommissionsmitglieds Heinrich Amadeus Wolff. Im Interview erklärt er, welche Entwicklungen er für rechtsstaatlich bedenklich hält und warum das BMI mit seinen Positionen nicht immer glücklich war.
LTO: Wohin haben sich die Sicherheitsgesetze seit dem 11. September entwickelt?
Wolff: Die Gesetze haben uns immer mehr in Richtung Präventivstaat geführt. Das ist aus rechtsstaatlichen Gründen schwierig. Die politischen Akteure müssen entscheiden, inwieweit das wirklich notwendig ist.
Je vager die Tatbestandsmerkmale der Ermächtigungsgrundlagen formuliert sind, desto schwieriger wird es für die Betroffenen, Rechtsschutz zu suchen und die Maßnahmen der Sicherheitsbehörden nachzuprüfen. Das hat die Kommission eindeutig so festgestellt. Allerdings bewerten wir Experten unterschiedlich, inwieweit das zur Gefahrenabwehr nötig ist.
"Der NSU-Skandal hat keine große Rolle gespielt"
LTO: Die Kommission empfiehlt mehrheitlich, das Bundekriminalamt (BKA) so wie derzeit schon die Geheimdienste unter die Aufsicht des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu stellen. Warum?
Wolff: Das ist ein sehr alter und wenig spektakulärer Vorschlag. Seit der Reform von 2009 hat das BKA ähnliche Befugnisse wie die Nachrichtendienste. Ich habe damals ausdrücklich eine Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium vorgeschlagen. In der parlamentarischen Diskussion haben sich die Abgeordneten jedoch dagegen entschieden.
SPD und FDP haben befürchtet, dass das dazu führen würde, dass der Innenausschuss faktisch weniger Kontrollbefugnisse hat, auch wenn das rechtlich nicht zwingend ist. Das Problem dabei ist, dass das Parlamentarische Kontrollgremium unter einer höheren Geheimhaltungsstufe tagt als der Innenausschuss. Das Argument lässt sich hören, auch wenn ich es nicht für überzeugend halte.
LTO: Enthält der Bericht denn spektakulärere Vorschläge?
Wolff: Eigentlich nicht. Die entscheidende Frage war, ob eine engere Zusammenarbeit der Nachrichtendienste erforderlich ist. Die Erfahrungen mit dem Nationalsozialisten Untergrund (NSU) sprechen dafür, allerdings beißt sich das wahnsinnig mit dem verfassungsrechtlichen Gebot, Polizei und Geheimdienste voneinander zu trennen. Diesen Widerspruch kann keiner auflösen, auch wir nicht.
LTO: Welche Rolle hat der NSU-Skandal bei der Evaluation gespielt?
Wolff: Keine starke. Das war bloß ein Argument von vielen. Der Bericht des Untersuchungsausschusses lag ja auch noch nicht vor.
"Die Terrorabwehrzentren sind sehr effizient"
LTO: Sie und Ihre Kollegen regen an, eine gesetzliche Grundlage für das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ), das 2004 eingerichtet wurde, zu schaffen. Sollen dadurch die Aufgaben und Ziele des Zentrums beschränkt werden?
Wolff: Das war innerhalb der Kommission umstritten. Die BMJ-Experten haben vertreten, dass die bisherigen Gesetze die Weitergabe von Informationen zwischen den Behörden nicht ausreichend regeln. Ob eine neue gesetzliche Grundlage diese Befugnis einschränken soll, wurde nicht deutlich. Letztlich wird das von der Formulierung einer solchen Vorschrift abhängen.
Ich denke, dass der Gesetzgeber nur feststellen sollte, dass er die Zentren als Organisationseinheit will und dass die bisherigen Vorschriften zum Informationsaustausch genügen. Andere meinen, dass es überhaupt keine Änderung braucht.
Das Problem ist, dass die gemeinsamen Terrorabwehrzentren ein organisatorischer Erfolg sind. Sie sind effizient. Innerhalb der Bundesverwaltung gab es aber Widerstand gegen ihre Einrichtung. Die Behörden schotten sich ab und zwar nicht aus rechtsstaatlichen Bedenken, sondern weil jeder sein eigenes Süppchen kochen will. Wir wollten als Kommission nicht den Eindruck erwecken, diesen Widerstand nachträglich zu unterstützen.
LTO: Sie haben jetzt die ganze Zeit im Plural gesprochen und tatsächlich gibt es neben dem GTAZ auch noch das GETZ – das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum. Wieso braucht es zwei verschiedene Zentren, deren Namen doch auf recht ähnliche Aufgaben schließen lassen?
Wolff: Die informatorische Zusammenarbeit in diesen Gremien relativiert die Trennung von Polizei und Geheimdiensten in gewisser Form, weil die Behörden dort intensiv zusammenarbeiten. Um diese Friktion nicht zu groß werden zu lassen, muss die Zusammenarbeit zumindest thematisch beschränkt werden.
Sicherheitsgesetze auf dem Prüfstand: . In: Legal Tribune Online, 28.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9451 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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