Noch bis zum Jahresende will das Bundesamt für Verfassungsschutz ein neues Gutachten zur AfD vorlegen. Die Befürworter eines Verbotsverfahrens erhoffen sich davon eine neue Dynamik und warten deshalb noch mit ihrem Antrag.
Die Befürworter eines AfD-Verbotsverfahrens im Bundestag wollen den vorliegenden Gruppenantrag frühestens Mitte November in den Bundestag einbringen. "Wir werden mindestens noch die nächste Sitzungswoche weitere Unterstützer-Unterschriften sammeln und dann einbringen", sagte Initiator Marco Wanderwitz (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Es werde kein Antrag im Bundestag gestellt, der nicht auch eine hinreichende Chance auf eine parlamentarische Mehrheit habe.
Der Bundestag kommt zur nächsten Sitzungswoche vom 4. bis 8. November zusammen und danach vom 11. bis 15. November. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte am Montag angekündigt, in den nächsten zweieinhalb Monaten ein neues Gutachten zur AfD vorzulegen.
Neue Bewertung durch den Verfassungsschutz
Im Rahmen der jährlichen öffentlichen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) des Bundestages hatte BfV-Präsident Thomas Haldenwang dies geäußert. Das neue Gutachten werde "unter Berücksichtigung aktuellster Entwicklungen innerhalb der Partei" erstellt. Auch "die sichtbaren Vorgänge rund um die Landtagswahlen in Ostdeutschland" spielten eine Rolle, sagte Haldenwang.
Mitte Mai hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen bereits entschieden, dass der Verfassungsschutz die AfD zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat, was den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel wie etwa Observationen erlaubt, LTO berichtete ausführlich unter anderem hier. Der Fall liegt derzeit in Leipzig, wo das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) über entsprechende Nichtzulassungsbeschwerden entscheiden muss. Haben die Beschwerden Erfolg, käme es noch zu einem Revisionsverfahren beim BVerwG.
Theoretisch sind für das Gutachten letztlich drei Szenarien denkbar: Entweder hat sich der Verdacht des BfV nicht bestätigt, dann wäre die Beobachtung der AfD als Verdachtsfall zumindest vorerst am Ende. "Ich halte diese Variante für äußerst unwahrscheinlich", sagte Haldenwang. Oder der Verdacht bestätigt sich, was dann eine Einstufung der Gesamtpartei als gesichert extremistische Bestrebung zur Folge hätte. Möglich wäre aber auch eine weitere Beobachtung als Verdachtsfall mit einer entsprechenden Begründung - etwa falls sich aufgrund noch nicht abgeschlossener interner Vorgänge in der Partei nicht klar sagen lässt, in welche Richtung sich die AfD entwickelt.
Bundestag will Dynamik des Gutachtens nutzen
Das neue BfV-Gutachten könnte die Unterstützung für einen Verbotsantrag auch bei der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion deutlich vergrößern, sagte Wanderwitz. "Es gilt, die Dynamik zu nutzen, die durch eine mögliche Neueinstufung der AfD als gesichert rechtsextrem durch das Bundesamt für Verfassungsschutz entstehen würde."
Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas befürwortet den Gruppenantrag ebenfalls. "Es ist höchste Zeit, die AfD durch das Bundesverfassungsgericht auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen zu lassen", sagte die CDU-Politikerin gegenüber ZEIT Online. "Wir sehen seit Jahren, dass die AfD rechtsextrem ist, sich auch weiter radikalisiert, wie sie unsere freiheitliche demokratische Grundordnung aushöhlt, verächtlich macht, mit dem Ziel, sie abzuschaffen."
Dr. Till Steffen, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, sagte, der Antrag sei die Konsequenz daraus, dass sich die AfD "für den Weg der Radikalisierung entschieden" habe. Wie auch Steffen betont SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge die "wehrhafte Demokratie" als Leitmaxime für den Verbotsantrag. "Wenn eine Partei bestrebt ist, die Demokratie abzuschaffen, so ist es demokratisch, diese Partei zu bekämpfen", so Wegge. Das Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz (GG) stelle das "schärfste Schwert" der Demokratie dar, gleichwohl sehe man die insoweit erforderlichen strengen Voraussetzungen bei der AfD als erfüllt an.
Die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Anwendung von Art. 21 Abs. 2 GG seit dem "NPD II"-Urteil an ein Parteiverbot stellt, wurden bei LTO bereits unter anderem hier grundlegend dargestellt.
Verfassungsschutzämter sollen Staatsfreiheit herstellen
Der fraktionsübergreifende Antrag mit dem Ziel der Einleitung eines Verbotsverfahrens wird dabei im Wesentlichen damit begründet, dass es die Verantwortung des Bundestages für die freiheitliche Demokratie gebiete, die rechtliche Überprüfung der AfD durch das unabhängige Bundesverfassungsgericht zu ermöglichen. Dabei soll nach dem Ziel der Initiatoren die gesamte Partei verboten werden, hilfsweise aber jedenfalls einzelne Landesverbände sowie die Junge Alternative (JA).
Zugleich betont der Antrag auch die "Herstellung des Zustands der strikten Staatsfreiheit" als rechtsstaatliche Voraussetzung für das Parteiverbotsverfahren. Denn in seiner Rechtsprechung habe das BVerfG dieses Gebot dergestalt ausformuliert, "dass die betroffene Partei im Hinblick auf ihre Willensbildung und Selbstdarstellung jederzeit selbstbestimmt (und damit auch zurechenbar verantwortlich) handeln kann", heißt es in dem Antrag. Konkret bedeutet dies, dass die Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Landesebene rechtzeitig ihre V-Personen abziehen müssten. Dieser Aspekt war insbesondere beim ersten NPD-Verbotsverfahren 2003 problematisch.
Die Initiatoren des Antrags betonen zugleich, dass unabhängig von einem möglichen BVerfG-Urteil in der Sache eine "breite öffentliche Debatte über die politischen Ziele und Methoden der AfD" stattfinden müsse.
jb/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
AfD-Verbotsantrag kommt frühestens im November: . In: Legal Tribune Online, 17.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55651 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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