Der Schwabinger Kunstfund erhitzt seit Wochen die Gemüter. Im Zentrum der juristischen Debatte steht die Frage, ob die Nachfahren früherer jüdischer Eigentümer ihre Herausgabeansprüche noch heute geltend machen können. Dies wird meist mit dem Hinweis auf die inzwischen eingetretene Verjährung verneint. Doch so einfach ist die Lage keineswegs, meinen Claudia Spoerhase und Holger Grefrath.
Die Frage nach einem Herausgabeanspruch der früheren (jüdischen) Kunstbesitzer bzw. ihrer Nachfahren im Fall Gurlitt ist ausgesprochen vertrackt. Das gilt bereits in tatsächlicher Hinsicht: Die Bilder sind auf unterschiedliche Art und Weise in die Sammlung gelangt, mithin sind auch die Eigentumslage und das Vorhandensein etwaiger Einreden von Bild zu Bild unterschiedlich zu beurteilen. So hat die Staatsanwaltschaft Augsburg vergangene Woche erklärt, dass sie Herrn Gurlitt diejenigen Bilder, die "zweifelsfrei" in seinem Eigentum stünden – wohl gut 400 der insgesamt gut 1.400 Werke -, zeitnah zurückgeben wolle.
Damit bleibt allerdings noch eine beträchtliche Zahl übrig, deren rechtlicher Status bislang nicht endgültig geklärt ist. Man kann wohl davon ausgehen, dass es sich zumindest bei einigen, wenn nicht bei vielen dieser Bilder um sogenannte "Raubkunst" handelt. Kunst also, die ihren Eigentümern in der NS-Zeit entzogen wurde.
Eigentumserwerb an Raubkunst scheidet aus
Um die rechtlich richtige Behandlung dieser Bilder ist nun eine in mehreren Aufsätzen geführte, juristische Debatte entflammt. Weitgehende Einigkeit besteht immerhin darin, dass ein wirksamer Eigentumserwerb durch die Nachkriegsbesitzer im Hinblick auf § 935 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Regel ausscheidet. Auch eine Ersitzung des Eigentums nach § 937 BGB dürfte im Regelfall an der fehlenden Gutgläubigkeit scheitern.
Allerdings, so ist vielfach zu lesen, sei den Vorkriegsbesitzern bzw. ihren Nachfahren damit wenig geholfen, denn ihre Herausgabeansprüche seien inzwischen verjährt. Das wird zum Teil kritisiert, weil es zu dem unbefriedigenden Ergebnis führt, dass Eigentum und Besitz dauerhaft auseinanderfallen würden – und weil es in Hinblick auf die Raubkunst auch moralische Fragen aufwirft. Als Lösung wird etwa ein Ausschluss der Verjährungseinrede nach § 242 BGB erwogen.
In der Verjährungsdebatte unberücksichtigt: Die Beschlagnahme
Doch vielleicht bedarf es dieses zivilrechtlichen Notankers gar nicht, um den Vorkriegsbesitzern zu ihrem Recht zu verhelfen. Denn ein Umstand wurde in diesem Zweig der Debatte, so weit ersichtlich, bislang völlig ausgeblendet: die Beschlagnahme der Werke durch die Staatsanwaltschaft Augsburg. Diese ist deshalb relevant, weil sie zu einer Unterbrechung der Besitzkette geführt hat. Grundsätzlich endet im Falle des Besitzwechsels der Herausgabeanspruch gegen den bisherigen Besitzer und es entsteht ein unabhängiger, neuer dinglicher Anspruch gegen den neuen Besitzer, hier also gegen die Staatsanwaltschaft, für den auch die Verjährung neu zu laufen beginnt.
Zwar ordnet § 198 BGB für Fälle der Rechtsnachfolge, also zum Beispiel Verkauf oder Vererbung der Bilder an, dass die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zugutekommt. Von der Vorschrift nicht erfasst sind jedoch Fälle, in denen der Besitzer der Sache ohne seinen Willen – hier durch eine Beschlagnahme der Staatsanwaltschaft – verlustig geht.
Schwabinger Kunstfund: . In: Legal Tribune Online, 27.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10179 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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