Nach anti-israelischen Ausschreitungen: Schär­fere Strafen für das Ver­b­rennen von Flaggen?

von George Andoor, Mag. iur.

14.12.2017

2/2 Kritik an der Staatsmacht muss erlaubt bleiben

Allerdings müsste auch ein dem § 90a StGB vergleichbarer Symbolschutz ausländischer Hoheitssymbole im Lichte der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG ausgelegt und angewendet werden. Denn obwohl man es im Einzelnen sehr wohl als geschmacklos empfinden mag, kann gerade das Verbrennen von Flaggen ein deutlicher und sichtbarer Ausdruck der Missbilligung der Politik der betreffenden Staaten darstellen.

So fordert das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits bei der Verunglimpfung deutscher Staatssymbole besonders sorgfältig zwischen einer – wie verfehlt auch immer erscheinenden – Polemik und einer Beschimpfung oder böswilligen Verächtlichmachung zu unterscheiden, weil Art. 5 Abs. 1 GG gerade auch aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet. Der Symbolschutz dürfe daher nicht zur Immunisierung des Staates gegen Kritik und selbst gegen Ablehnung führen.

Schon in Bezug auf deutsche Flaggen ist also das Verbrennen nicht stets ohne Weiteres strafbar, vielmehr kommt es auch hier auf den konkreten Zusammenhang an. Ähnliche Anforderungen dürften auch für eine dem § 90 Abs. 1 Nr. 2 StGB vergleichbare Vorschrift, welche die Verunglimpfung von ausländischen Flaggen unter Strafe stellt, gelten.

Es kommt auf den Kontext an

Bei einem Sachverhalt wie dem aktuellen würde also nicht unberücksichtigt bleiben können, dass die Entscheidung der US-Regierung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, auch international auf ein deutlich geteiltes Echo gestoßen ist – selbst das Auswärtige Amt hat sich dahingehend geäußert, dass die Entscheidung die Gefahr beinhalte, "Öl ins Feuer zu gießen".

Soweit sich nun das Verbrennen einer ausländischen Flagge, sei es nun der israelischen oder der amerikanischen, als ein Ausdruck gegen eben diese Entscheidung darstellt, kann – insbesondere aufgrund der zeitlichen Nähe der kritisierten Flaggenverbrennungen und der Entscheidung der US-Regierung – nicht pauschal von der Hand gewiesen werden, dass es sich hierbei um einen Akt der Meinungsäußerung handelt.

Darin könnte schließlich ebenso gut eine besonders vehemente Abwehrhaltung gegen die Entscheidung der US-Regierung und der Palästina-Politik des Staates Israel zu erblicken sein, auch wenn das Verbrennen israelischer Flaggen gerade aus deutscher Perspektive besonders verurteilungswürdig ist. Zumal das BVerfG verlangt, dass Gerichte bei mehrdeutigen Äußerungen nicht von der Deutung ausgehen dürfen, die zu einer Verurteilung führt, bevor sie nicht andere Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen haben.

Schon jetzt strafbar

Wenn aber bei einem öffentlichen Verbrennen israelischer Flagge erkennbar judenfeindliche und antisemitische Gesinnungen zum Ausdruck kommen, dürfte schon jetzt der Tatbestand der Beleidigung gem. § 185 StGB oder der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt sein.

Daher gilt es nun, dem rechtspolitischen Reflex zu widerstehen, das Strafgesetzbuch um eine weitere Strafvorschrift zu ergänzen. Gerade die hohe Bedeutung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit – das insbesondere auch für streitbare Minderheiten gilt – verlangt es, dass die aufgeklärte Mehrheitsgesellschaft auch fragwürdigere Formen der Meinungskundgabe bis zu einem gewissen Grade tapfer hinnimmt.

Schließlich zeichnet sich ein Rechtsstaat auch dadurch aus, dass nicht schon jede moralisch fragwürdige Handlung strafbewehrt ist. Zumal die bereits heute existierten Normen des Strafrechts einen hinreichenden Schutz bieten, wenn die Grenzen des Erträglichen überschritten werden.

George Andoor, Mag. iur. ist Doktorand an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und promoviert zum Strafprozess- und Gerichtsverfassungsgesetz. Derzeit leistet er sein Rechtsreferendariat beim Präsidenten des Kammergerichts in Berlin ab.

Zitiervorschlag

Nach anti-israelischen Ausschreitungen: . In: Legal Tribune Online, 14.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26033 (abgerufen am: 06.11.2024 )

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