Wer betrunken Auto fährt und einen Unfall verursacht, darf nicht damit rechnen, dass die Versicherung für den eigenen Schaden zahlt. In seinem Urteil von Ende Juni stellt der BGH außerdem klar, dass eine hohe Promillezahl per se keine fehlende Zurechnung begründet. Schematische Lösungen für Trunkenheitsfahrten wird es indes auch künftig nicht geben. Von Dirk-Carsten Günther.
Der Versicherungssenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 22. Juni 2011 den nun nicht gerade seltenen Fall zu entschieden, dass ein Fahrer in mehr oder weniger volltrunkenen Zustand einen Unfall verursacht (Az. IV ZR 225/10). Wollte der Fahrer von seinem Kaskoversicherer den Schaden am eigenen Pkw ersetzt bekommen, konnte sich der Versicherer noch bis vor kurzem in aller Regel auf eine vollständige Leistungsfreiheit aufgrund der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls gem. § 61 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) alte Fassung berufen. Dabei galt das so genannte Alles-oder-nichts-Prinzip; der Fahrer bekam im Ergebnis also keinen Ersatz.
Vor drei Jahren dann wurde das VVG grundlegend reformiert. In der neuen Vorschrift des § 81 Abs. 2 VVG aus 2008 sind die Rechtsfolgen zu Gunsten des Versicherungsnehmers bei grober Fahrlässigkeit abgemildert. Anstatt "nichts" kann der Versicherungsnehmer nun "etwas" bis "viel" bekommen.
In den Fällen der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls erfolgt nämlich eine Quotierung: Nach § 81 Abs. 2 VVG ist der Versicherer berechtigt, "seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen". Auch und gerade bei Trunkenheitsfahrten wurde daraufhin heftig darüber gestritten, ob aufgrund dieser Regelung dem Versicherungsnehmers wenigstens eine geringe Quote zugesprochen werden muss oder bei einer solchen evidenten groben Fahrlässigkeit nicht eine Kürzung bis auf Null möglich ist, so dass in diesen Fällen das Ergebnis das gleiche wäre, wie noch zu Zeiten des alten VVG.
BGH: Kürzung des Schadensersatzes auf Null zulässig
Diese Rechtsfrage beurteilte der BGH nun anhand des folgenden Falles: Der klagende Versicherungsnehmer hatte im Mai 2008 eine Kfz-Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Einige Wochen später besuchte er ein Rockkonzert. Auf der Rückfahrt von der Veranstaltung kam es am frühen Morgen des folgenden Tages zum Unfall; in einer leichten Linkskurve kam der Mann mit seinem PKW von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Laternenmast.
Der Schaden am eigenen Fahrzeug betrug fast 7.000 Euro. Eine später durchgeführte Blutentnahme ermittelte eine Blutalkoholkonzentration von 2,70 Promille, was einen Blutalkoholwert zum Unfallzeitpunkt von etwa drei Promille, eventuell sogar noch etwas höher, entsprach.
Landgericht und Oberlandesgericht (OLG) hatten jeweils einen Anspruch des Versicherungsnehmers auch nur in Höhe einer geringen Quote verneint: Auch bei grober Fahrlässigkeit sei eine Kürzung auf Null zulässig.
Diese Auffassung hat der BGH nun bestätigt. Ebenso wie zuvor die herrschende Meinung im Schrifttum und Rechtsprechung bejahten die Karlsruher Richter die Möglichkeit eine Kürzung bis in Höhe von 100 Prozent.
Zurechungsfähigkeit beim Vollrausch nicht per se ausgeschlossen
Das Ergebnis des Senats verdient Zustimmung: Schon der reine Wortlaut des § 81 Abs. 2 VVG spricht nicht dagegen; auch eine vollständige Kürzung kann begrifflich noch als ein "Kürzen" verstanden werden. Erst recht für diese Auslegung sprechen Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Mit einer so hohen Kürzungsquote soll das Fehlverhalten des Versicherungsnehmers mit einer hohen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer sanktioniert werden.
Allerdings dürfte eine entsprechende Kürzung "auf Null" nur in den Fällen der allergröbsten Fahrlässigkeit möglich sein. In aller Regel wird daher bei Trunkenheitsfahrten im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit ab 1,1 Promille eine vollständige Leistungskürzung eingreifen.
Allerdings muss auch in diesen Fällen eine Einzelfallwürdigung vorgenommen werden, worauf der BGH zu Recht hinweist. Auch wenn die vollständigen Entscheidungsgründe des Urteils noch nicht nicht vorliegen, kann man wohl erwarten, dass das Gericht dabei einer schematischen Lösung eine Absage erteilen wird. Eine stufenweise Kürzung entsprechend dem Promillegehalt, wie dies zum Teil in der Schweiz gehandhabt wird, wäre damit ausgeschlossen.
Der Fall des BGH hatte noch eine Besonderheit, bei der es allerdings rechtlich keine Unterschiede zum alten VVG gab: Der Rockfan hatte wie gesagt etwa drei Promille Alkohol im Blut. Dies nahm er zum Anlass, sich auf eine fehlende Zurechnungsfähigkeit zu berufen.
In der Tat kann der Versicherungsnehmer bei fehlender Zurechnungsfähig nicht grob fahrlässig handeln (§§ 81 Abs. 2 VVG mit § 827 Bürgerliches Gesetzbuch). Allerdings kann sich dann der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit auf einen früheren Zeitpunkt beziehen, nämlich auf den Trinkbeginn bezeihungsweise während der Zeit des Trinkens: Hier war der Versicherungsnehmer noch nicht unzurechnungsfähig, konnte jedoch erkennen oder hat sogar erkannt, dass er im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit einen Versicherungsfall herbeiführen wird.
Entscheidend für die weitere Beurteilung ist dabei, welche Vorkehrungen er getroffen hat, um die Trunkenheitsfahrt zu verhindern. Da das OLG im aktuellen Fall hierzu nach Auffassung des BGH keine ausreichenden Feststellungen getroffen hatte, wiesen die Karlsruher Richter die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an die Vorinstanz zurück.
Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther ist Partner der Versicherungskanzlei Bach, Langheid & Dallmayr sowie Leiter des Fachbereichs für Wirtschafts- und Sachversicherungsrecht am Institut für Versicherungswesen an der Fachhochschule Köln.
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Schadensersatz nach Alkoholunfall: . In: Legal Tribune Online, 28.06.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3600 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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