Bekämpfung von Rockerkriminalität: Geplantes Kenn­zei­chen­verbot ver­fas­sungs­widrig

2/2: Entwurf vereitelt verfassungskonforme Auslegung

Die Bundesregierung verkennt hierbei, dass der BGH in seiner Entscheidung zum Bandidos MC ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund der bereits weiten Fassung des Kennzeichenverbots eine restriktive Auslegung geboten ist. Diese durch das verfassungsrechtliche Übermaßverbot bedingte Korrektur erfolgte bisher über das Tatbestandsmerkmal des "Verwendens", das nunmehr durch den Gesetzgeber modifiziert werden soll. Damit wird die Möglichkeit zur verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes genommen.

Diese Modifikation ist verfassungswidrig. Der BGH hat insoweit nämlich darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Regelungen eine Kollisionslage mit den Grundrechten auf Meinungsfreiheit und allgemeiner Handlungsfreiheit schaffen, die sich im Kontext der derzeit geltenden Fassung des Vereinsgesetzes nur über eine verfassungskonforme Auslegung lösen lässt. Hiernach ist die Berücksichtigung subjektiver Verwendungsabsichten zwingend, da andernfalls Kennzeichen verboten werden können, die gerade nicht als Kennzeichen eines verbotenen Vereins, sondern als solche eines nicht verbotenen Vereins zur Schau gestellt werden.

Ein solcher restriktiver Umgang ist erst recht mit der Strafbestimmung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG geboten. Der BGH führt in diesem Zusammenhang auch die Vereinsfreiheit der nicht verbotenen Vereine (Art. 9 Abs. 1 Grundgesetz) als eigenständiges Grundrecht ins Feld, das nicht über Gebühr beansprucht werden darf. Dies wäre aber gerade dann der Fall, wenn sich ein Vereinsverbot, das zunächst einmal nur einen lokal (beispielsweise als strafgesetzwidrig) in Erscheinung tretenden Verein betrifft, zu Lasten der sich gesetzestreu verhaltenden Schwestervereine auswirken könnte.

Selbst FC Bayern könnte Wappen verlieren

Diese Schlussfolgerung lässt sich dadurch untermauern, dass die nicht verbotenen Vereine in dem einen anderen Verein betreffenden Verbotsverfahren überhaupt keine Möglichkeit haben, ihre eigenen Interessen, etwa als Beigeladene, zu vertreten. Auch steht es nicht in ihrer Möglichkeit, die Handlungsweisen eines selbständigen und gegebenenfalls wegen strafgesetzwidriger Betätigung verbotenen Vereines zu beeinflussen. Im Ergebnis hätte die Regelung zur Konsequenz, dass zum Beispiel dem FC Bayern das Zeigen des eigenen Vereinswappens untersagt wäre, wenn dieses von einem verbotenen Hooliganverein missbräuchlich genutzt würde. Die Verfassungswidrigkeit des Gesetzgebungsvorhabens liegt mithin auf der Hand.

Für eine solche Regelung kann es zudem keine Rechtfertigung geben. Unwahr ist in diesem Zusammenhang die Behauptung, der Gesetzgeber sei berufen oder in der Lage, eine Strafbarkeitslücke zu schließen, was mit der vorliegenden Entwurfsfassung der Neuregelung des Vereinsgesetzes geschehen soll. Diese Forderung bezog sich ursprünglich allein auf die derzeit in Kraft befindliche Regelung des § 9 Abs. 3 VereinsG, die als subjektives Tatbestandmerkmal das Erfordernis des Teilens der Zielrichtung eines verbotenen Vereines aufweist und zum gefahrenabwehrrechtlichen Einschreiten berechtigt.

Diese Bestimmung könnte man – sofern sie inhaltlich unangetastet bliebe – sicherlich in den Straftatbestand des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG einbeziehen. Das aktuelle Gesetzgebungsvorhaben zielt allerdings auch hier darauf ab, dass Schranken beseitigt werden sollen, die auf der Grundlage des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit gutem Grunde errichtet wurden.

Der Autor Florian Albrecht M.A. (Polizeiwissenschaften) ist Oberregierungsrat und hauptamtlich Lehrender für die Rechtsfächer an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl. Er ist Mitherausgeber und -autor eines im Beck Verlag erschienenen Kommentars zum Vereinsgesetz. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.

Zitiervorschlag

Florian Albrecht, Bekämpfung von Rockerkriminalität: . In: Legal Tribune Online, 05.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20770 (abgerufen am: 08.11.2024 )

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