Korruptionsbekämpfung: Die Bilanz der großen Koa­li­tion

von Prof. Dr. Sebastian Wolf, LL.M. Eur.

06.10.2017

2/2: Für Transparenz sorgte vor allem die SPD

Die genannten Reformen wurden mit der schwarz-roten parlamentarischen Mehrheit beschlossen und teilweise auch von Bündnis 90/Die Grünen und der Linkspartei unterstützt, die in der Regel jeweils noch weitergehende Regelungen forderten.

Eine besondere Rolle scheint bei den beschlossenen Gesetzen die SPD gespielt zu haben. Ohne sie wären die Neuerungen sicherlich nicht zustande gekommen. So geht beispielsweise die verschärfte Strafrechtsnorm zur Mandatsträgerbestechung inhaltlich maßgeblich auf eine SPD-Vorlage zurück, die in der vorangegangenen Legislaturperiode noch an Union und FDP gescheitert war. Bei anderen Reformen dürfte das SPD-geführte Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben. In der ersten großen Koalition unter Angela Merkel war der Einfluss der SPD im Bereich Antikorruptionspolitik offenbar nicht so stark.

Gegen den erklärten Willen der Spitzen von CDU/CSU wären die beschriebenen Gesetze natürlich nicht möglich gewesen, außer die Sozialdemokraten hätten die Koalitionsdisziplin gebrochen und wie beim Gesetz über die „Ehe für alle“ mit Grünen und Linken gemeinsame Sache gemacht. Aber es hat den Anschein, dass die Unionsabgeordneten an den skizzierten Reformen eher zurückhaltend, passiv oder begrenzend mitwirkten. In diesem Zusammenhang ist es schon bemerkenswert, dass der SPD diese rechtspolitischen Erfolge in der (Medien-) Öffentlichkeit praktisch nicht und in der scientific community kaum zugerechnet werden. Offenbar haben die Sozialdemokraten es  auch selbst nicht verstanden, daraus politisches Kapital zu schlagen.

Mit Blick auf das Ergebnis der Bundestagswahl kann man übrigens froh sein, dass die genannten Reformen zwar reichlich spät, aber immerhin noch in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedet wurden. Eine Koalition unter Beteiligung der FDP würde sie vermutlich nicht oder nicht in diesem Umfang beschließen.

Noch viel zu tun

Dem neugewählte Bundestag bleibt in Sachen Korruptionsbekämpfung noch einiges zu tun. So fordert die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland unter anderem ein verbindliches Lobbyistenregister auf Bundesebene, eine transparentere Parteienfinanzierung und eine Offenlegung der in Gesetzgebungsverfahren eingeflossenen organisierten Interessen ("legislativer Fußabdruck").
Auch die Einführung eines Unternehmensstrafrechts sowie eine Optimierung des Bundesinformationsfreiheitsgesetzes wären wünschenswert. Hinweisgeber (Whistleblower) im privaten und öffentlichen Sektor sollten gesetzlich besser geschützt, die Einrichtung von Hinweisgebersystemen in Betrieben sollte verpflichtend sein.

Das neugewählte Parlament könnte auch die notwendigen rechtlichen Anpassungen vornehmen, um endlich das Zivilrechtsübereinkommen über Korruption des Europarats zu ratifizieren – es wurde im Jahr 1999 von der Bundesregierung unterzeichnet.

Der Autor Sebastian Wolf ist Professor für Sozialwissenschaften an der MSB Medical School Berlin und Mitglied des Führungskreises von Transparency International Deutschland e. V.

Zitiervorschlag

Korruptionsbekämpfung: . In: Legal Tribune Online, 06.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24875 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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