Wenn sich am Donnerstag Apple und Samsung erneut vor dem LG Düsseldorf treffen, wird es zunächst gar nicht um die Frage gehen, ob der südkoreanische Konzern beim iPad-Hersteller abgekupfert hat. Zentraler ist, ob das Gericht überhaupt in der Sache entscheiden darf. Nicht nur das, meint Markus Ruttig: Es kann sogar den Vertrieb von Samsungs Galaxy Tab EU-weit verbieten.
In der zweiten Runde vor dem Landgericht (LG) Düsseldorf im Geschmacksmusterstreit über das "Samsung Galaxy Tab 10.1", kurz Galaxy Tab, wird der Widerspruch verhandelt, den die Samsung Electronics GmbH und die Samsung Electronics Co. Ltd. gegen die einstweilige Verfügung zugunsten der Firma Apple Inc. eingelegt hat. Apple hatte diese Verfügung am 9. August 2011 erwirkt (Az. 14c O 194/11).
Apple wirft Samsung vor, mit dem Galaxy Tab sein iPad zu kopieren und dabei Geschmacksmuster, also Rechte am Design des iPad 2, zu verletzen. Hilfsweise macht der kalifornische Konzern wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend, und zwar aus § 4 Nr. 9 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb.
Es geht also allein um die äußerliche Gestaltung des Tablet-Computers und damit um die Frage, ob ein so genanntes Geschmacksmuster verletzt wurde. Ansprüche aus Apple-Patenten spielen in diesem Rechtsstreit keine Rolle. Apple behauptet, Samsung nutze den guten Ruf des iPads aus und ahme dieses sklavisch nach.
Reicht eine Klage in Deutschland für ein europaweites Vertriebsverbot?
Am 16. August verfügte das LG Düsseldorf auf Antrag von Samsung eine vorläufige Teileinstellung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung vom 9. August. Apple darf demnach die Verfügung gegenüber der Firma Samsung Electronics Co. Ltd. mit Sitz in Süd-Korea nicht durchsetzen, soweit es dem Unternehmen verboten worden war, außerhalb der Bundesrepublik Deutschland das Galaxy Tab zu benutzen, herzustellen oder sonst in den Verkehr zu bringen.
Grund für die Einschränkung waren laut Pressemitteilung des Gerichts Zweifel, ob das LG Düsseldorf überhaupt Maßnahmen gegenüber einem Unternehmen anordnen kann, dass seinen Sitz nicht in der Europäischen Union hat.
Man darf gespannt sein, ob das Gericht diese Zweifel aufrecht erhalten und seine Verfügung entsprechend zurücknehmen wird. Da die Düsseldorfer Richter im Ergebnis ihre Zuständigkeit gegenüber der Fa. Samsung Electronics Co. Ltd. für die Rechtsverletzung in Deutschland zu Recht bejaht haben, müssten sie eigentlich befugt sein, das Verbot auch auf das Gebiet der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu erstrecken. Der Europäische Gerichtshof hat eine entsprechende Kompetenz der nationalen Gerichte jedenfalls erst kürzlich für die Gemeinschaftsmarke angenommen (Urt. v. 12.04.2011, Rs. C-235/09).
Wäre es anderes, würden Rechtsverletzer privilegiert, die weder ihren Sitz noch eine Niederlassung in der Europäischen Union haben. Ein solches Unternehmen müsste dann nämlich bei einer Verletzung eines Europäischen Geschmacksmusters in jedem einzelnen Mitgliedstaat verklagt werden - was nicht nur zeit- und kostenintensiv wäre, sondern auch die Gefahr widersprüchlicher Entscheidung mit sich brächte.
Geschmacksmusterverordnung begründet keine andere Zuständigkeit
Doch nicht nur die Zuständigkeit des LG Düsseldorf gegenüber der südkoreanischen Firma Samsung Electronics Co. Ltd. ist umstritten. Die Richter werden sich außerdem mit dem Einwand auseinanderzusetzen haben, ob sie überhaupt zu einer Entscheidung in der Sache befugt sind.
Wie man der Entscheidung vom 16. August entnehmen kann, hegt das Gericht diesbezüglich aber keine Zweifel. Tatsächlich scheint die 14. Zivilkammer ihre Zuständigkeit für das Unternehmen nur deshalb verneint zu haben, weil Art. 6 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen auf das südkoreanische Unternehmen nicht anwendbar ist.
Davon unberührt bleibt aber die originäre Zuständigkeit des Gerichts für Rechtsverletzungen in Deutschland. Diese müsste, wie gesagt, auch eine Erstreckung auf alle anderen Mitgliedstaaten zur Folge haben. Und auch sonst lässt sich der Geschmacksmusterverordnung keine ausschließliche Zuständigkeit eines anderen internationalen Gerichts entnehmen, da jedenfalls die Samsung Electronics GmbH ihren Sitz in Schwalbach am Taunus und damit in Deutschland hat. Die Hürde der Zuständigkeit wird Apple folglich nicht reißen.
Das OLG Düsseldorf als Samsungs letzte Hoffnung
Samsung bezweifelt darüber hinaus die Eilbedürftigkeit, die Voraussetzung für ein Vorgehen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist. Da jedenfalls die patentrechtliche Auseinandersetzung zwischen Apple und Samsung, wenn auch vornehmlich in den USA, schon seit April dieses Jahres schwelt, ist nur schwer vorstellbar, dass der iPad-Hersteller erst im Juli dieses Jahres Kenntnis vom Aussehen des Galaxy Pads erhalten hat.
Andererseits besteht für Apple keine Marktbeobachtungspflicht; dem Konzern könnte damit allenfalls vorgeworfen werden, dass er die geplante Markteinführung des Galaxy Tabs grob fahrlässig nicht zur Kenntnis genommen hat.
In der Sache selbst dürfte vor allem über den Schutzumfang des Apple-Geschmacksmusters am iPad 2 gestritten werden. Dieser erstreckt sich auf jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer nicht den Eindruck erweckt, er habe den Tablet-Computer des kalifornischen Konzerns vor sich.
Bei ihrer Prüfung müssen die Richter den Grad der Gestaltungsfreiheit des Designers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters berücksichtigen. Dass sie hier zu einer anderen Entscheidung kommen als in dem Beschluss vom 9. August ist unwahrscheinlich. Das Gericht hatte Samsungs Einwände, die in einer so genannten Schutzschrift hinterlegt waren, berücksichtigt und dennoch eine Geschmacksmusterverletzung angenommen. Dennoch muss man sich fragen, ob die Funktionalität des Produkts, insbesondere die hier nicht im Streit stehende Steuerung über einen berührungsempflindlichen Bildschirm dem Geschmacksmusterschutz ähnlich einem Flachbildschirm nicht enge Grenzen setzt.
Wenn sich das LG Düsseldorf weiterhin für wenigstens teilweise zuständig und auch die Eilbedürftigkeit für gegeben hält, kann Samsung wohl erst beim OLG Düsseldorf auf eine für sich günstigere Entscheidung hoffen. In einem solchen Fall würden sich die Vorzeichen des Rechtsstreits auch schnell ändern. Denn bei einer Aufhebung der einstweiligen Verfügung drohen Apple Schadensersatzansprüche aus § 945 ZPO.
Der Autor Dr. Markus Ruttig ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei CBH Rechtsanwälte in Köln und Dozent für Medienrecht an der Fachhochschule Fresenius.
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Markus Ruttig, Prozess um angeblichen Design-Klau: . In: Legal Tribune Online, 25.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4111 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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