2/2: Veröffentlichung tangiert das allgemeine Persönlichkeitsrecht
Die unbefugte Veröffentlichung vertraulichen Aufzeichnungen tangiert zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da der Einzelne grundsätzlich ein Recht darauf hat, selbst zu bestimmen, ob und wie er sich in der Öffentlichkeit darstellt (BVerfG, Beschl. v. 21.08.2006, Az. 1 BvR 2606/04). Ob der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht allerdings auch rechtswidrig ist, bestimmt das Ergebnis der Abwägung zwischen dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem Recht auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG.
Den Rahmen gibt die so genannte Sphärentheorie des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 20.12.2011, Az. VI ZR 261/10) vor. Danach ist festzustellen, in welcher Sphäre der Betroffene durch die Veröffentlichung berührt wäre. Zu unterscheiden ist, ob der Eingriff in die Intim-, die Privat-, die Sozial- oder sogar die Öffentlichkeitssphäre erfolgt. Besonders hohen Schutz genießen die sogenannten sensitiven Daten, die der Intim- und Geheimsphäre zuzuordnen sind. Geschützt ist aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten, die lediglich zur Sozial- und Privatsphäre gehören, so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, Az. 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, 1, 41 ff.; 78, 77, 84).
Zusätzlich brisant: Dokumente wurden entwendet
Selbst wenn die Dokumente einem geschäftlichen und somit nicht einem privaten, sondern einem Vorgangs aus der Sozialsphäre zuzuordnen sein sollten, dürfte das Recht des Betroffenen, nicht an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, das öffentliche Informationsinteresse überwiegen*.
Das würde auch und gerade dann gelten, wenn der Verdacht einer Straftat im Raum stünde. Denn nicht jeder Verdacht einer Straftat begründet das überwiegende Informationsinteresse der Allgemeinheit an einer entsprechenden Berichterstattung. Es müsste sich vielmehr um eine schwerwiegende Verfehlung handeln, bei der auch die Person des Verdächtigen eine Rolle spielt. Ein kleiner Unternehmer oder gar Privatmann muss danach eher "in Ruhe gelassen werden", als ein Großindustrieller, ein Politiker oder eine sonstige in der Öffentlichkeit stehende Person. Journalisten müssten zusätzlich darauf achten, dass ein Mindestbestand an Beweistatsachen bezüglich einer Verfehlung mit einem bestimmten Gewicht vorliegt und keine Vorverurteilung des Betroffenen stattfindet, dem vor Veröffentlichung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss.
Was der neudeutsche Begriff des "Leaks" verniedlicht, ist die Tatsache, dass – wie Mossack Fonseca bestätigt -, die Daten von den Servern der Kanzlei unbefugt entwendet wurden. Die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen, bedarf zu ihrer Rechtfertigung eines gesteigerten Informationsinteresses. Die Journalisten haben daher aus gutem Grund bisher davon abgesehen, alle Dokumente zu veröffentlichen und sich darauf beschränkt, die Namen einiger bekannter, in der Öffentlichkeit stehender Personen zu nennen.
Eine Entscheidung, die jeder begrüßen müsste, der vertrauliche Dokumente bei seiner Bank, seinem Steuerberater, seiner Arzt oder Anwalt in Verwahrung hat, die bei einem Hackerangriff in falsche Hände geraten könnten.
Arno Lampmann ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz bei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum Rechtsanwälte in Köln.
*Anm. d. Red.: Satz geändert am 19. Oktober 2018, 11:19 Uhr (pl)
Arno Lampmann, Panama Papers – Rechte der Betroffenen: . In: Legal Tribune Online, 18.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19086 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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