2/2: Freiwilligkeit im Arbeitsverhältnis
Bei den von der App gesammelten Informationen über die Mitarbeiter handelt es sich um Gesundheitsdaten, deren Verarbeitung nach §§ 3 Nr.9, 28 Abs.6 ff. BDSG nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Und die liegen in diesem Fall nicht vor. Die App darf daher nur zum Einsatz kommen, wenn der Mitarbeiter mit der Nutzung seiner Daten einverstanden ist. § 4a BDSG stellt an diese Einwilligung jedoch hohe Anforderungen.
Die Einwilligung muss auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruhen. Im Arbeitsrecht war wegen der Ober-/Unterordnungssituation in Arbeitsverhältnissen lange umstritten, ob ein Beschäftigter überhaupt wirksam in die Verarbeitung seiner Daten einwilligen kann. Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht hierzu schon vor Jahren festgestellt, dass nicht nur bei Begründung, sondern auch in einem laufenden Arbeitsverhältnis ein ungleiches wirtschaftliches Kräfteverhältnis zwischen den Vertragsparteien besteht, woraus sich eine strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers ergebe (BVerfG, Beschl. v. 23.06.2006, Az. 1 BvR 1909/06). Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich entschieden, dass Arbeitnehmer grundsätzlich auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses frei entscheiden könnten, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz ausüben wollten (BAG, Urt. v. 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13).
BAG-Urteil ist kein Freifahrtschein
Man darf diese Entscheidung allerdings nicht dahingehend verstehen, dass nunmehr die strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers im Beschäftigungsverhältnis ad acta gelegt werden könne und eine Einwilligung in die wie auch immer geartete Verarbeitung von Daten stets freiwillig sei.
Die App verarbeitet Gesundheitsdaten, die nach §§ 3 Nr. 9, 28 Abs.6 ff. BDSG gesetzlich einem besonderen Schutz unterliegen. Es mag sein, dass einige Mitarbeiter kein Problem damit haben, dass ihr Smartphone Informationen über ihr gesundheitliches Befinden an den Arbeitgeber liefert. Ein Großteil wird sich jedoch fragen, was mit den Daten geschieht, ob damit zum Beispiel Leistungs- und Belastbarkeitsschätzungen vorgenommen werden können. Wenn nun einige Mitarbeiter vorpreschen, sehen sich die Zögernden in einer Zwangssituation: Wird der Chef nicht meinen, sie hielten mit etwas hinter dem Berg, wenn sie eine Einwilligungserklärung nicht unterschreiben? Hier läge also ein Fall der strukturellen Unterlegenheit vor, der an der Freiwilligkeit einer Einwilligung zweifeln lässt.
Daten müssen nicht anonym bleiben
Zwar soll das Programm die Daten anonymisiert an das Unternehmen liefern und ein Rückschluss auf den einzelnen Mitarbeiter nicht möglich sein. Die Frage ist jedoch, ob die Anonymität im Unternehmen gewährleistet ist. Durch die Kombination von verfügbaren Daten kann eine De-Anonymisierung erfolgen. Die App ist nur sinnvoll, wenn umfassend Bewegungs- und Standortdaten geliefert werden. Denn nur so lässt sich ermitteln, welchen Belastungen Mitarbeiter ausgesetzt sind, die häufig unterwegs sind. Mit einem Blick auf den Terminkalender eines Beschäftigten kann dann ein Zusammenhang zu den anonymisierten Daten hergestellt werden.
In den Unternehmen sind vor allem die betrieblichen Interessenvertretungen gefragt, ihr Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs.1 Nr.6 Betriebsverfassungsgesetz wahrzunehmen, wenn der Arbeitgeber solche E-Health-Anwendungen einführen möchte. In den Chefetagen sollte man sich zudem Gedanken über den Sinn und Unsinn derartiger Programme machen. Die Ermittlung des Gesundheitszustandes der Belegschaft sollte man grundsätzlich Ärzten überlassen, und nicht einem Softwareprogramm.
Christian Oberwetter, Arbeitnehmerkontrolle per Stimmungs-App: . In: Legal Tribune Online, 01.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15706 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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