2/2: Ausschuss braucht Zugang
Bereits die prinzipiell mögliche Ablehnung des Beweisersuchens durch die Bundesregierung (§ 18 II PUAG) stellt sich hier wohl als unzulässig dar: Es handelt sich um abgeschlossene oder jedenfalls "verantwortungsreife" Vorgänge und auch das Interesse an einer Kooperation mit dem NSA ist wohl jedenfalls dann als geringer einzuschätzen, wenn wie hier potentiell eklatantes Fehlverhalten des eigenen Nachrichtendienstes gerade im Zuge dieser Kooperation zur Debatte steht. Eine abschließende Abwägung ermöglichte aber nur der Zugang zu geheimen Informationen, um klären zu können, ob sie geheim bleiben müssten. Ein Teufelskreis.
Da die Selektorenliste im Zentrum des Untersuchungsauftrags steht und Geheimhaltungsgründe gerade unter den gegebenen Umständen wohl nicht überwiegen, hätte auch ein/e Ermittlungsbeauftrage/r das Recht (§ 10 III 3 PUAG) auf Vorlage der Liste. Die momentane Verweigerung ist nach dem PUAG vor dem BVerfG anfechtbar (§ 18 III PUAG).
Geheimhaltung auch anders möglich
Der Sorge der Bundesregierung um Geheimhaltung etwa konkreter Ziele lässt sich außerdem anders begegnen: Gem. § 15 PUAG können Beweismittel, mithin auch die Selektorenliste, mit einem Geheimhaltungsgrad versehen werden. Diese werden dann nach der Geheimschutzordnung des Bundestags (GSO BT) behandelt und sind hinsichtlich Herausgabe, Vervielfältigung, Ort der Einsichtnahme und vor allem des Personenkreises, der Zugang erhält, begrenzt:
So dürfen nach § 16 I, II PUAG grundsätzlich nur die Mitglieder des Ausschusses (und etwa der/die Ermittlungsbeauftrage) Zugang erhalten, sie sind auch im Nachhinein zu Stillschweigen verpflichtet. Eine Liste wie die der NSA-Suchanfragen würde wohl mit dem Grad "streng geheim" versehen. Dies würde auch bedeuten, dass in den Ausschusssitzungen nur "Eingeweihte" (befugte Personen) sitzen dürfen, kein Verlaufsprotokoll geführt wird, die Verschlusssachen nur an den Ausschuss und die Dauer der Sitzung weitergeleitet werden und anderes mehr (§ 7 GSO BT).
Für die Geheimhaltung der Liste als solcher gäbe es also ausreichende Vorkehrungen. So scheitert die Herausgabe an den Ausschuss oder die Einschaltung eines/r Ermittlungsbeauftragen auch nicht an unzulänglichen Gesetzen, sondern vor allem an den Vorbehalten der USA. Die Bundesregierung muss sich also entscheiden, wessen Interessen sie die höhere Bedeutung beimisst: Denen der USA und der Zusammenarbeit mit ihnen oder denen des Parlaments.
Der Autor ist wissenschaftlicher Beschäftigter an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Lehrstuhl für öffentliches Recht und Verwaltungslehre) und promoviert an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zur deutschen Verfassungsgeschichte, -theorie und Staatsorganisation.
Christoph Smets, NSA-Untersuchungsausschuss und "Vertrauensperson": . In: Legal Tribune Online, 26.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16007 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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