Die Regierung lehnt ab, wozu sie verpflichtet ist: Dem NSA-Untersuchungsausschuss Einblick in die Liste geheimer Spähziele zu gewähren. Die Einführung einer "Vertrauensperson" hierzu ist halbseiden und überflüssig, kommentiert Christoph Smets.
Seit dem 20. März 2014 tagt der NSA-Untersuchungsausschuss in einem der wohl größten Spionageskandale der jüngeren Geschichte. Insbesondere soll der BND für sein amerikanisches Pendant, die NSA, Ziele in Deutschland maschinell und automatisiert ausspioniert haben. Welche genau, kann nur eine Liste dieser Ziele, die sogenannte "Selektorenliste" enthüllen. Diese gehört aber zu einer Sammlung von Dokumenten, die beim Kanzleramt unter Verschluss liegen und vor deren Herausgabe es erst die Zustimmung der USA einholen will – freilich ohne Erfolg.
Das Herausgabeverlangen des Ausschusses wurde seitdem abgelehnt. Vor kurzem schlug dann die Bundesregierung vor, die Liste nicht dem Ausschuss, sondern lediglich einer "Vertrauensperson" zu zeigen. Wessen "Vertrauen" hier wichtiger ist, hängt von Sinn und Zweck des Untersuchungsausschusses ab.
Dieser besteht aber in der Aufklärung besonders von Fehlverhalten der Bundesregierung; ein bereits seit der Paulskirchenverfassung inhärentes Recht des Parlamentes.
Dabei ist das Spannungsverhältnis im konkreten Fall klar: Auf der einen Seite steht der Geheimnisschutz potentiell für die Bundesrepublik schädlicher Informationen, auf der anderen Seite das Wahrheits- und Vollständigkeitsinteresse des Untersuchungsausschusses. Dabei besteht immer – hier jedoch ganz besonders – die Gefahr, dass sich die Bundesregierung hinter dem Geheimnisschutz gleichsam versteckt und ihn dazu verwendet, für sich selbst politisch potentiell schädliche Informationen geheim zu halten.
Einrichtung einer "Vertrauensperson" verwischt Grenzen
Die sogenannte "Vertrauensperson" soll in der politisch aufgeladenen Debatte um die Einsichtnahme in die Spähziele der NSA eine Art Kompromiss darstellen. Sie soll durch den Untersuchungsausschuss benannt werden, der auch ihren Untersuchungsauftrag, besonders dessen Umfang, festlegen soll. Die Entscheidung und tatsächliche Einsetzung hingegen, also die offizielle Bekleidung mit der Position und damit ihre Ausstattung mit politisch-rechtlichen Befugnissen, soll durch die Bundesregierung, genauer durch das Bundeskanzleramt, geschehen.
Dadurch würde die "Vertrauensperson" aber im Grunde ein Beauftragter der Bundesregierung, nicht des Untersuchungsausschusses. So soll der Auftrag auch inhaltlich dadurch begrenzt sein, dass die "Vertrauensperson" nicht alle Spionageziele überprüfen darf, sondern nur diejenigen, deren Ausspähung durch den BND abgelehnt wurde. Dies aber steht in Kontrast zu der geplanten Befugnis des Ausschusses, den Umfang ihres Untersuchungsauftrags festzulegen. Ebenso die Vorgabe, wonach die Vertrauensperson nur allgemein und nicht im Detail von ihren Untersuchungen berichten dürfen soll.
Auf den ersten Blick mag eine solche Konstruktion wie ein gelungener Ausgleich zwischen Geheimhaltungs- und Aufklärungsinteresse wirken. Einerseits würde so aber der Untersuchungsauftrag unterlaufen, andererseits stehen (verfassungs)rechtliche Gründe entgegen.
Beweiserhebungsrecht des Ausschusses hat Verfassungsrang
Der Anspruch auf Vorlage von Beweismitteln gegen die Bundesregierung ist nämlich nicht nur in § 18 des Gesetzes zur Regelung der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG), sondern auch in Art. 44 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) verankert. Dort ist er auch keine randständige Befugnis, sondern gehört nach dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zum sogenannten Wesenskern des Untersuchungsrechts. Das Zwischenschalten eines dem Ausschuss nicht verantwortlichen Dritten, der nur teilweise und überblicksartig berichten darf, würde den Ausschuss von diesem Kernrecht ausschließen.
"Vertrauensperson" existiert bereits
Außerdem existiert eine "Vertrauensperson" des Untersuchungsausschusses (nicht aber der Regierung) in § 10 Untersuchungsausschussgesetz (PUAG) bereits. Es ist die sogenannte "Ermittlungsbeauftrage". Sie wird nach der gesetzlichen Konzeption durch den Ausschuss bestimmt, was sowohl die oben genannte Benennung als auch die Einsetzung einschließt (§ 10 II 1 PUAG). Sie wird zudem vom Ausschuss mit einem speziellen Untersuchungsauftrag ausgestattet (§ 10 I 1 PUAG).
Der Vorschlag der Bundesregierung würde dem Ausschuss also einerseits nur ein Recht "zugestehen", das er schon besitzt (Bestimmung des Untersuchungsauftrags) und andererseits das Recht, den oder die Beauftrage einzusetzen, nehmen.
Dabei sind Ermittlungsbeauftrage sachlich für genau die Vorgänge konzipiert, die nun zur Debatte stehen, nämlich zur Sichtung erforderlicher Beweismittel, um die Untersuchung durch den Ausschuss vorzubereiten (§ 10 III 1, 2 PUAG). Dazu haben sie das Recht auf Vorlage und Augenscheinnahme von Beweismitteln (§ 10 III 3 PUAG), also etwa auch der berüchtigten "Selektorenliste".
Was der Regierung (und den USA) am Ermittlungsbeauftragten nicht behagen wird, ist die Unabhängigkeit in der Arbeit und die Verantwortlichkeit in den Ergebnissen ausschließlich gegenüber dem Untersuchungsausschuss (§ 10 III 6, IV 1 PUAG). Diesem erstattet sie nach Abschluss ihrer Arbeit mündlich und schriftlich Bericht und empfiehlt das weitere Vorgehen (§ 10 III 9 und 10 PUAG). Ihre Ergebnisse stehen dem gesamten Ausschuss (also gerade auch der Opposition) zur Verfügung (§ 10 III 8 PUAG).
Teilweise geäußerte Bedenken, Ermittlungsbeauftrage stellten eine verfassungsrechtlich bedenkliche Delegation der Beweisaufnahme dar, träfen allerdings erst recht auf eine gesetzlich nirgends festgelegte "Vertrauensperson" der Regierung zu.
Christoph Smets, NSA-Untersuchungsausschuss und "Vertrauensperson": . In: Legal Tribune Online, 26.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16007 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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