Für Rotlichtverstöße oder Blitzer-Fotos zahlt keiner gern. Und warum auch? Bisher konnten sich Fahrzeughalter aus der Affäre ziehen, indem sie behaupteten, den Fahrer ihres Wagens nicht zu kennen. Schnell war die Verjährungsfrist verstrichen, und der Staat blieb auf den Verfahrenskosten sitzen. Nun prüft die Bundesregierung eine Reform – doch viel zu fürchten haben Autobesitzer nicht.
Seit Montag kursiert die Nachricht, die Bundesregierung überlege, eine Halterhaftung für Straßenverkehrsverstöße einzuführen. In Zukunft sollten neben den tatsächlichen Verkehrssündern auch die Halter verpflichtet werden können, die Bearbeitungskosten, nicht jedoch das eigentliche Bußgeld, zu zahlen. Geplant sei eine direkte Beweislastumkehr*– bald müsse also nicht mehr die Behörde nachweisen, wer wirklich zu schnell gefahren ist.
Das klingt erst einmal erschreckend für deutsche Autobesitzer. Müssen Fahrzeughalter künftig befürchten, selbst zur Kasse gebeten zu werden, obwohl sie gar nicht gefahren sind? Die Antwort ist ein klares "jein".
Die aktuelle Rechtslage
Der Aufregung liegt eigentlich kein aktueller Anlass zugrunde. Weder die finanzielle Heranziehung desjenigen, auf den der Wagen zugelassen ist, noch die Überlegungen zur Ausweitung einer solchen Regelung sind neu. Für den sogenannten "ruhenden Verkehr", also zum Beispiel für das Parken* im Parkverbot, gibt es bereits seit 1986 den § 25a Straßenverkehrsgesetz (StVG). Dieser besagt, dass dem Halter oder seinem Beauftragten die Kosten des Verfahrens auferlegt werden können, wenn der Fahrzeugführer nicht rechtzeitig (also innerhalb der Verjährungsfrist von drei Monaten) ermittelt werden konnte. Eine Arbeitsgruppe des Verkehrsgerichtstags kam bereits 2010 zu der Übereinkunft, dass es möglich sein sollte, diese Regelung in verhältnismäßiger Weise auf den "fließenden Verkehr" auszuweiten.
Das Bundesverkehrsministerium (BMVI*) hat daraufhin die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) beauftragt, zu prüfen, ob es genügend Fälle gibt, in denen Bußgeldverfahren bezüglich des fließenden Verkehrs erfolglos eingestellt werden müssen. Es sollen also zunächst Daten gesammelt werden, um eine Grundlage für Bemühungen um eine Gesetzesänderung zu haben. Laut BMVI liegen derzeit noch keine Ergebnisse vor. Die Bestrebungen scheinen auch eher träge zu verlaufen – bei der Stelle für allgemeine Anfragen beim BASt waren auf Nachfrage keine Details bezüglich der Studie in Erfahrung zu bringen.
Keine "Halterhaftung" oder Beweislastumkehr möglich
Und auch, wenn eine Reform doch folgen sollte, wird diese kaum weitreichende Auswirkungen haben. Ohnehin ist seitens des BMVI nur eine Übertragung der Kosten zur Ermittlung des Fahrers geplant – dies hatte sich in Medienberichten zu dem Thema teils noch anders angehört. Eine Halterhaftung, die sich auch auf das eigentliche Bußgeld erstreckt, wäre rechtlich jedoch ohnehin nicht möglich, meint der auf Verkehrsrecht spezialisierte Rechtsanwalt Michael Winter. Das Bußgeld für einen Verkehrsverstoß hat eine Bestrafungs- und Erziehungsfunktion. Es ist im Ordnungswidrigkeitenrecht geregelt, welches wiederum Teil des Strafrechts ist. Danach gilt klar: Keine Strafe ohne Schuld.
Laut Winter ergebe sich daraus eine zweite Korrektur der aktuellen Meldungen: auch eine Beweislastumkehr sei nicht praktikabel. Wie immer bei straf-/ordnungswidrigkeitsrechtlich relevanten Gesetzesverstößen sei es Aufgabe de Staates, dem Betroffenen seine Ordnungswidrigkeit nachzuweisen. Dabei gilt der im Strafrecht übliche Grundsatz "in dubio pro reo": Kann der Staat nichts nachweisen, kann er auch keine Strafe verhängen.
Anne-Christine Herr, Mögliche Neuerung im Verkehrsrecht: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12963 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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