2/2: Verfassungsrechtliche Bedenken
Immerhin: Auch die pauschale Auferlegung der Verfahrenkosten ist unüblich. Normalerweise treffen diese im Ordnungswidrigkeitenrecht nur denjenigen, der die Tat, die zum Verfahren führte, begangen oder der Verfahrenskosten vorwerfbar verursacht hat (§ 46 I OWiG, §§ 465 I*, 469 I StPO). Hiervon macht § 25a StVG für den ruhenden Verkehr schon heute eine Ausnahme – mit dem ausdrücklichen Segen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), (BVerfGE, 01.06.1989, 2 BvR 239/88).
Die herkömmliche Kostenregelung würde der typischen Ermittlungssituation bei Park- und Haltverstößen nicht mehr gerecht. Die Behörden können sich nur das Kennzeichen notieren, den Halter kontaktieren und hoffen, dieser gebe ihnen die richtige Auskunft. Genau diese wird jedoch meist unter Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht bezüglich naher Familienangehöriger unterlassen, zu spät abgegeben oder es werden nicht auffindbare Personen aus dem Ausland benannt. Die daraufhin zwingende Einstellung der Verfahren belaste die Rechtspflege nachhaltig, insbesondere bleibe der Staat auf den Ermittlungskosten sitzen. Umgekehrt habe der Halter es in der Hand, wem er sein Auto überlasse – wenn er dann nicht zur Klärung der Identität des Betreffenden beitrage, sei es gerechtfertigt, ihn zumindest mit den Verfahrenskosten zu belasten.
Die gleiche Argumentation lässt sich auf den fließenden Verkehr übertragen. Zwar hat die Behörde in diesen Fällen häufig ein Foto desjenigen, der gefahren ist. Dieses ist jedoch meist so unscharf und unkenntlich, dass sich die Behörde letztlich doch auf die Aussage des Halters stützen muss. Zwar haben Rotlicht- oder Geschwindigkeitsverstöße anders als falsches Parken nicht lediglich Bagatellcharakter, was man auch an den Punkten in Flensburg und den empfindlichen Strafen sieht. Der Ermittlungsaufwand ist jedoch der gleiche. Die in Betracht kommende Kostenlast für den Halter bliebe also im Rahmen derjenigen im Bereich des ruhenden Verkehrs - dies sind zunächst die Pauschalgebühren von 13 bis 25 EUR sowie die Zustellungsauslagen von wenigen Euro.
Weitergehende Regelungen wünschenswert?
Eine Ausdehnung des § 25a StVG auf den fließenden Verkehr wäre also denkbar. Manchem geht sie jedoch nicht weit genug. Der Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages Kay Nehm, ehemaliger BGH-Richter und Generalbundesanwalt, plädiert – in Angleichung an Regelungen anderer europäischer Länder – für eine Rechtsgrundlage mit "verkehrserziehender Wirkung". Ohne das grundgesetzliche Schuldprinzip zu verletzen, solle auch das Bußgeld dem Halter in Rechnung gestellt werden. Dieser müsste dann zwar zahlen, hätte aber keine bestrafenden Konsequenzen wie Punkte in Flensburg oder den Entzug des Führerscheins zu befürchten.
Auch hier sei maßgeblich, dass der Halter es in der Hand habe, an wen er sein Auto verleiht. Wer die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug hat, müsse den Staat für die begangene Rechtsverletzung kompensieren – und sich gegebenenfalls beim Fahrer schadlos halten. Dies entspräche, was die Kosten anbelangt, dem zivilrechtlichen Modell der Gesamtschuld, und würde etwa bei privaten Mietwagenverträgen regelmäßig so vereinbart.
Keine gravierenden Veränderungen in Aussicht
Eine derartige Ausweitung der Haftung für Verkehrsverstöße ist jedoch eher nicht zu erwarten. Sicherlich würde den Ländern dieser finanzielle Zuwachs gefallen - es bestehen aber wohl zu viele rechtliche Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit einer solchen Regelung.
Somit haben Autobesitzer also nicht wirklich viel zu befürchten, sollte sich die Regierung dazu entschließen, die angedachte Reform durchzuführen und die Kostenpflicht des Halters auf den fließenden Verkehr auszuweiten.
Allenfalls in Bagatellfällen, in denen ein geringes Verwarnungsgeld droht, welches keine Auswirkungen auf die Fahrerlaubnis hat, empfiehlt Rechtsanwalt Winter, zu prüfen, ob man nicht lieber dieses bezahlt, anstatt einen teureren Bescheid über die Ermittlungskosten zu riskieren.
* Folgende Änderungen wurden vorgenommen: Im ersten Absatz fehlte der link auf den Artikel von focus.de, in welchem von einer Beweislastumkehr gesprochen wird. Natürlich ist nur das Parken im Parkverbot verboten, nicht aber das Halten. Statt "BMV" wurde die korrekte aktuelle Bezeichnung "BMVI" verwendet. Auf der zweiten Seite wurde der Tippfehler § 4651 zu § 465 I geändert. Geändert am 28.08.2014 um 17.12
Anne-Christine Herr, Mögliche Neuerung im Verkehrsrecht: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12963 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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