Der Straftatbestand "Befürwortung von Straftaten" wurde 1981 abgeschafft. Es gab fast keine Verurteilungen, die beabsichtigte Wirkung habe sich gar in ihr Gegenteil verkehrt, hieß es damals. Innenpolitiker meinen, heute sei alles anders.
Im Kampf gegen Hetze im Internet prüft Bundesjustizministerin Christine Lambrecht die Wiedereinführung des 1981 abgeschafften Straftatbestandes "Befürwortung von Straftaten". Das sagte die SPD-Politikerin dem Mannheimer Morgen (Dienstag). Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich hinter eine entsprechende Forderung von Innenpolitikern der Union von Ende Oktober gestellt.
"Strafrecht sollte immer Ultima Ratio - also letztes Mittel – sein", sagte Lambrecht der Zeitung. "Die Frage ist, ob man bei jemandem, der Straftaten begrüßt, gleich mit dem Strafrecht reagieren muss. Es ist kein Aufruf und keine Beihilfe zur Straftat", betonte die Ministerin und erklärte zugleich: "Wir sind in der Prüfung und schauen uns den früheren Straftatbestand ganz genau an."
1976, § 88a StGB a.F.: Eine künftige Straftat gutheißen, aber nicht zu ausdrücklich
§ 88a stand nur zwischen 1976 und 1981 im Strafgesetzbuch (StGB). Die Vorschrift sollte damals, mitten in Zeiten des RAF, verhindern, dass durch das Gutheißen von Straftaten ein "psychisches Klima" geschaffen wird, in dem schwere Gewalttaten gedeihen können. Sie sollte die Möglichkeit schaffen, gewaltpropagierenden Äußerungen, welche die Bereitschaft zur Begehung schwerer Gewalttaten fördern können, mit den repressiven Mitteln des Strafrechts entgegenzutreten, heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 7/3030 S. 5).
Wie auch die Billigung von Straftaten nach § 140 StGB, die es heute noch gibt, stellte es die Vorschrift unter Strafe, bestimmte schwere Straftaten insbesondere gegen das Leben und die verfassungsmäßige Ordnung ausdrücklich gutzuheißen. Die Billigung sollte das nachträgliche Gutheißen, das Befürworten das Gutheißen künftiger Straftaten sanktionieren. Es brauchte allerdings neben einer gutgeheißenen Straftat auch noch eine ausdrückliche Erklärung.
Zu ausdrücklich durfte die allerdings wiederum nicht sein, da sich das Befürworten von der Aufforderung zu Straftaten im Sinne von § 111 StGB sowie ggf. auch von der Anstiftung nach § 26 StGB dadurch unterschied, dass es keine bestimmte Erklärung an die Motivation anderer sein durfte, bestimmte Straftaten zu begehen. An der hinreichenden Bestimmtheit der Vorschrift gab es von Anfang an Zweifel. Der Bundesgerichtshof erklärte sie allerdings im Jahr 1979 für hinreichend bestimmt (BGH, Urt. v. 28.02.1979, Az. 3 StR 14/79 (S)).
1981: Eine einzige Verurteilung, gewollte Wirkung ins Gegenteil verkehrt
Dennoch wurde § 88a StGB schon im Jahr 1981 wieder abgeschafft. Für den Straftatbestand gebe es kein hinreichendes Bedürfnis, hieß es zur Begründung, andererseits habe er aber die Meinungsfreiheit beeinträchtigt. So seien zwar viele Verfahren eingeleitet, aber am Ende wieder eingestellt worden. In den fünf Jahren seit dem Inkrafttreten habe es nur eine Verurteilung gegeben. Die Vorschrift habe für das Ansehen des Strafrechts und des Staates mehr Schaden angerichtet als Nutzen gebracht, so der Bericht des Rechtsausschusses damals. So hätten sich sogar ganz unverdächtige Personen mit den beschuldigten angeblichen Staatsfeinden und gegen einen als übergriffig empfundenen Staat solidarisiert. Die beabsichtigte Wirkung, das Umfeld des Terrorismus "auszutrocknen", sei geradezu in ihr Gegenteil verkehrt worden.
Die negativen Wirkungen der Vorschriften, insbesondere auf das geistige Klima, und die Gefahren für die Meinungsfreiheit stünden in keinem angemessenen Verhältnis zum kriminalpolitischen Nutzen (Drucksache 9/23 (BT-Drs. 9/135), S. 3). Die Regierungsparteien kamen - nach Angaben einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags aus dem Jahr 2018 gegen den Willen der damaligen Opposition - überein, dass die Auseinandersetzung im politischen Bereich geführt werden müsse.
Dabei blieb es am Ende auch, obwohl es im Jahr 1988 einen Versuch gab, den Straftatbestand wieder einzuführen. In einem § 130b, also angedockt an die Anleitung zu Straftaten in § 130a StGB, sollte das Befürworten wieder unter Strafe gestellt werden. Wieder war die Begründung, die Gewalt, vor allem die zum Erreichen politischer Ziele, habe zugenommen, es gelte deshalb eine Lücke im Strafrechtsschutz zu schließen. Am Ende geschah das nicht, auch wegen der Erfahrungen mit dem alten § 88a StGB: Insbesondere sei zweifelhaft, ob die Vorschrift überhaupt praktische Bedeutung erlangen könne, so die Begründung zur Empfehlung des Rechtsausschusses, § 130b StGB nicht zu verabschieden. Schon die 1981 wieder aufgehobene Vorgängerregelung in § 88a StGB habe kaum zu Verurteilungen geführt. Zu erwarten seien allenfalls Durchsuchungen und Beschlagnahmen, die letztlich ohne Ergebnis bleiben dürften, in den betroffenen Kreisen aber verunsichernd wirken würden" (BT-Drs. 11/4359, S. 16 f).
2019: Situation "grundlegend geändert"?
In einem Schreiben mehrerer Innenpolitiker an Horst Seehofer heißt es, die Situation habe sich gegenüber damals aufgrund der Möglichkeiten der Verbreitung im Internet grundlegend geändert. Sie hatten in dem Schreiben erklärt, es sei wichtig, "deutliche Signale an die aktiven Hetzer" zu senden. Deshalb müsse die "Befürwortung von Straftaten" wieder unter Strafe gestellt werden.
Das Innenministerium verwies in seiner Reaktion auf das Ende Oktober vom Kabinett beschlossene Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität. Dazu gehöre auch eine geplante Erweiterung der bestehenden Regeln des Strafgesetzbuches mit Bezug zu Gewalt und Hasskriminalität. Das Innenministerium werde dabei auch den Regelungsbedarf zur Unterstützung, Billigung und Belohnung von Straftaten "ins Auge fassen" und sich bemühen, dies auch dem Justizministerium näher zu bringen.
mit Material von dpa
Lambrecht prüft Straftatbestand "Befürworten von Straftaten": . In: Legal Tribune Online, 03.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39035 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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