Seit Wochen ist das Nutzerkonto des Webvideoproduzenten "KuchenTV" auf der Streaming-Plattform Twitch gesperrt. Er wünscht sich, dass das Landgericht die Entscheidung schneller trifft. Einen entsprechenden Antrag wies das BVerfG nun aber ab.
Der Streamer und Meinungsblogger "KuchenTV" (bürgerlich Tim Heldt) ist mit einem Antrag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gescheitert. Die Streaming-Plattform Twitch.tv hatte Heldts dortigen Nutzer-Account Anfang Dezember 2023 gesperrt, wogegen dieser derzeit gerichtlich vorgeht. Das Landgericht (LG) Braunschweig, vor das Heldt gegen die Sperrung gezogen ist, hat eine Verhandlung für den 30. Januar 2024 anberaumt. Das ist dem Influencer offenbar nicht schnell genug, weswegen er vor dem BVerfG erreichen wollte, dass das LG schneller und ohne mündliche Verhandlung entscheiden muss. Das BVerfG war in seinem am Donnerstag veröffentlichen Beschluss aber der Ansicht, dass KuchenTV kein ausreichend schwerer Nachteil entsteht, wenn vor dem LG erst am 30. Januar verhandelt wird. Es hält seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung deshalb für unzulässig (Beschl. v. 15.01.2024, Az. 1 BvQ 1/24).
Hintergrund der Entscheidung ist ein seit fast einem Jahr andauernder Streit zwischen zwei Webvideoproduzenten, welcher bis zur Kontosperrung von KuchenTV unter anderem auf der Plattform Twitch ausgetragen wurde. Eigentlich wird die US-amerikanische Streaming-Plattform hauptsächlich für die Live-Übertragung von Videospielen genutzt. Es finden sich aber auch Meinungsblogger auf der Plattform wieder, die mit ihren Zuschauern dort Themen diskutieren oder diese auf andere Art und Weise unterhalten.
Anfang 2023 äußerte sich die Twitch-Streamerin und Influencerin "Shurjoka" (bürgerlich Pia Scholz) in einer ihrer Live-Übertragungen auf Twitch kritisch hinsichtlich eines Videospiels und erntete dafür viel Gegenwind, unter anderem von Heldt. Der "Beef" zwischen den beiden bekannten Social-Media-Stars schaukelte sich immer weiter hoch und eskalierte, als Scholz – Heldts Meinung nach zu Unrecht – den deutschen Computerpreis als "Spielerin des Jahres" erhielt. Seither kommt es immer wieder zu Wortgefechten zwischen den beiden Streamern, mittlerweile beharken sich die beiden in verschiedenen Angelegenheiten sogar juristisch. Erst vor wenigen Tagen etwa hatte Scholz Heldt abgemahnt, unter anderem wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte, wie Rechtsanwalt und YouTuber Christian Solmecke berichtete. Diese Abmahnung hat unter anderem mit der Live-Sendung zu tun, die letztlich zu Heldts Kontosperrung auf Twitch führte.
In der besagten Videoübertragung soll der Twitch-Support eingegriffen und Heldts Account gesperrt haben, da mehrere Twitch-Zuschauer das Verhalten und bestimmte Äußerungen in der KuchenTV-Sendung per "Report"-Funktion gemeldet haben sollen. Laut diversen Medienberichten hat Heldt vor der Kamera unter anderem gesagt, dass "Shurjokas Tränen für ihn Gleitgel seien" und der Twitch-Support auf Scholz "einen Scheiß" gäbe. Damit hat Heldt Streamerin Shurjoka nach Twitch-Angaben "belästigt" und "unter psychischen Druck gesetzt" – ein schwerwiegender Verstoß gegen die Community-Regeln auf Twitch. Die Plattform machte von ihrem virtuellen Hausrecht Gebrauch und sperrte das Twitch-Konto von KuchenTV.
LG hält Fall für zu komplex, um ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu können
Daraufhin wandte sich Heldt an das LG Braunschweig. Er beantragte dort, es Twitch zu verbieten, sein Nutzerkonto unbefristet zu sperren, und Twitch gleichzeitig dazu zu verpflichten, sein Nutzerkonto in den Zustand von vor der Sperrung zurückzuversetzen. Mit über 300.000 Followern ist der Twitch-Kanal für KuchenTV eine wichtige Säule seiner Internetpräsenz.
Das LG setzte den Termin zur mündlichen Verhandlung daraufhin für den 30. Januar 2024 an, obwohl Heldt darum gebeten hatte, möglichst schnell und ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. In dringenden Fällen ist dies nach § 937 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) auch möglich. Das LG war jedoch der Ansicht, dass man in einem solch komplexen Fall nicht auf die mündliche Verhandlung verzichten könne, und verwies auf seinen Entscheidungsspielraum.
Abfinden wollte sich Heldt damit offenbar nicht, denn er beantragte vor dem BVerfG den Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 32 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG)), dass das LG in der Sache ohne mündliche Verhandlung entscheiden möge.
Kein ausreichend schwerer Nachteil für KuchenTV
Heldt hofft, von einer Ausnahme profitieren zu können. In bestimmten Ausnahmefällen – nämlich dann, wenn durch die Inanspruchnahme der Fachgerichte ein schwerer Nachteil für den Antragssteller droht, zum Beispiel weil die Zeit drängt – kann direkt das BVerfG entscheiden (§ 32 Abs. 1 BVerfGG). Ein solcher schwerer Nachteil sei aber nicht ersichtlich, hat das BVerfG nun entschieden, weshalb die Ausnahme für Heldt nicht in Betracht komme. Dazu führt das Gericht in seiner Begründung an, dass Heldt nicht dargelegt habe, weshalb ihm ein schwerer Nachteil drohte, wenn sein Fall vom LG erst am 30. Januar verhandelt werden sollte.
Zudem habe KuchenTV auch nicht ausreichend dargelegt, dass eine in der Hauptsache erhobene Verfassungsbeschwerde nicht von vornherein unzulässig gewesen wäre, so das BVerfG. Dabei gibt es nach Auffassung des Gerichts sogar gleich mehrere Gründe, die dafür sprächen, dass eine Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache nicht von vornherein unzulässig gewesen wäre. Zum einen könnten Zwischenentscheidungen, zu denen auch die Terminierung auf den 30. Januar fällt, grundsätzlich nicht mit einer Verfassungsbeschwerde angegriffen werden. Nur in solchen Fällen, in welchen ein dringendes schutzwürdiges Interesse besteht, sei das möglich, so das BVerfG; einen solchen Nachweis habe KuchenTV aber nicht erbracht. Auch am Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG) scheiterte es in seinem Fall, denn Heldt habe nicht einmal einen Antrag auf Vorverlegung des Termins (§ 227 Abs. 1 ZPO) gestellt. Und letztlich wäre eine Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache nach Auffassung des BVerfG auch deshalb schon unzulässig gewesen, weil er sich in seinem Antrag gar nicht mit den Verfahrensvorschriften des § 937 Abs. 2 ZPO auseinandergesetzt habe.
Widerspruch in KuchenTVs Argumentation
Gegenüber dem LG hatte Heldt nach Angaben des BVerfG argumentiert, dass der Sachverhalt "in Umfang und Komplexität überschaubar und ohne mündliche Verhandlung zu bewerkstelligen" sei. In seinem Antrag vor dem LG, der ganze 79 Seiten umfasse, spreche Heldt selbst jedoch davon, dass der Antrag "in seiner Komplexität – in tatsächlicher und rechtlicher Sicht – äußerst umfassend" sei. Darin erkannte das BVerfG "einen unaufgelösten Widerspruch". Dass der 79-seitige Antrag komplex sein könnte, hatte auch das LG befürchtet und aus eben jenem Grund auf die mündliche Verhandlung bestanden. Auch darauf sei Heldt in seinem Antrag vor dem Verfassungsgericht überhaupt nicht eingegangen, so das BVerfG.
Im Ergebnis hat KuchenTV damit keinen Erfolg vor dem BVerfG. Es bleibt nun abzuwarten, wie das LG Braunschweig am 30. Januar entscheiden wird. Der Streamer selbst gibt sich in seinen Youtube-Videos derweil sehr optimistisch. "Ich gehe aber immer noch felsenfest davon aus, dass ich entsperrt werde, da Twitch hier einfach gegen geltendes Recht verstoßen hat."
Twitch-Konto gesperrt: . In: Legal Tribune Online, 25.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53727 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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