Verbot sexistischer Reklame: "Wer­bung formt und ver­fes­tigt Gesch­lech­ter­rollen"

2/2: "Im Ergebnis geht es nicht um weniger Freiheit, sondern um mehr"

LTO: Mal zu Ende gedacht: Warum dann bei der Werbung aufhören? Wie wäre es mit einer Quote für weibliche Romanfiguren oder Filmdarstellerinen?

Völzmann: Auf gar keinen Fall! Bei gesetzlichen Verboten geht es letztlich immer darum, wie die Grundrechtsabwägung ausfällt.  Da halte ich Werbung, die in der Regel nur der Umsatzgenerierung im Rahmen der Berufsfreiheit dient, für weitaus weniger schutzwürdig als die von Ihnen genannten Beispiele, die jeweils massiv in die Meinungs- oder gar Kunstfreiheit eingreifen würden. Gleichzeitig übt Werbung einen besonders starken Einfluss auf Rezipient_innen und damit auch darauf aus, welche (geschlechtlichen) Idealbilder Menschen entwickeln und zu erreichen versuchen. In diesem Sinn soll das Verbot gerade zu einem Mehr an Freiheit beitragen: Der Freiheit nämlich, sein Leben unbeschwert von dem Erwartungsdruck zu führen, wie man sich "als Mann" oder "als Frau" zu verhalten habe.

LTO: Mal hypothetisch: Wie wäre es denn in der umgekehrten Situation? Ein Unternehmen stellt in seiner Werbung Männer nur noch im Rahmen von Haushalt, Familie und Unterwäschewerbung dar, und zeigt Frauen im Kontext von Geld und Geschäft. Auch ein Fall für ein Verbot?
Völzmann: Solange wir in einer Welt leben, in der diese Darstellung ein Konventionsbruch ist und den gängigen Rollenbildern zuwiderläuft nicht, nein. Man befördert ein Umdenken ja nicht, indem man es verbietet.

"Ich sehe, wo der Vorwurf des Paternalismus herkommt"

LTO: Sie sehen schon, wo der Vorwurf des Paternalismus herkommt?

Völzmann: Ich sehe, wo er herkommt, natürlich. Am Anfang meiner Promotion war ich einem Verbot gegenüber auch eher kritisch eingestellt. Es gibt aber nicht nur eine staatliche Macht – sondern auch eine Macht gesellschaftlicher Mehrheiten (daher gibt es den Minderheitenschutz) und eine mediale Macht, die es manchmal zu begrenzen, bzw. innerhalb gewisser Bahnen zu halten gilt. Dafür bedarf es auch gar nicht des Blickes in andere Disziplinen: Das Bundesverfassungsgericht etwa betont die besondere Wirkung und die damit einhergehende Verantwortung des Rundfunks. Aus diesem Grund enthält der Rundfunkstaatsvertrag auch bereits – das mag Einige überraschen – ein Verbot diskriminierender Werbung. Einige andere europäische Länder gehen darüber hinaus und untersagen in ihren Wettbewerbs- bzw. Marktgesetzen längst diskriminierende Werbung. Ein Verbot geschlechtsdiskriminierender Werbung ist keine Frage von Spießigkeit, sondern von medialer Verantwortung und Geschlechtergerechtigkeit.

LTO: Können Sie einschätzen, wann mit einem Entwurf zu rechnen ist, und wie der im Einzelnen aussehen wird?

Völzmann: Nein, das liegt ganz beim Justizministerium.

Dr. Berit Völzmann hat zu Verbotsmöglichkeiten geschlechterdiskriminierender Werbung promoviert und über den Verein Pinkstinks beratend an der Entwurfsarbeit des Justizministeriums mitgewirkt.

Das Interview führte Constantin Baron van Lijnden.

Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden, Verbot sexistischer Reklame: . In: Legal Tribune Online, 14.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19071 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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