Bekämpfung der Rockerkriminalität: Die Polizei auf Abwegen

2/2: Nachricht nach Außen

Offensives und konsequentes Vorgehen der Polizei soll nach außen hin deutlich werden. Entschlossenes Handeln soll demonstriert und dadurch das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung gestärkt werden. Nicht unerheblicher Zeit- und Kräfteaufwand wird dafür in Kauf genommen, Ressourcen werden gebunden. Eigentliches Ziel der Bund-Länder Rahmenkonzeption ist die präventive und repressive Bekämpfung schwerer Individualstraftaten. Wie weit das ursprüngliche Ziel aus den Augen verloren wurde, zeigt die polizeiliche Praxis der Gefährderansprachen.

Nach der Bund-Länder Rahmenkonzeption sollen Mitglieder von Rockerclubs von der Teilnahme an gewalttätigen Auseinandersetzungen abgehalten werden bzw. Gewaltdelikte (Kernstrafrecht) verhindert werden. Heute werden Mitglieder von Rockerclubs auf rechtlich fragwürdiger Grundlage auf mögliche Verstöße gegen Vorschriften des Vereinsgesetzes (Nebenstrafrecht) hingewiesen. Verstöße gegen Vorschriften des Vereinsgesetzes sind zwar Rechtsverletzungen, aber alles andere als schwere Individualstraftaten. Zur Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bürger sind derartige Aktionen nicht geeignet. Bei den Vernünftigeren werden sie eher die Besorgnis der Fehlleitung knapper Ressourcen nähren.

Nachricht nach Innen

Die polizeiliche Leitung unterscheidet bei ihren Maßnahmen gegen MC’s zwischen der Öffentlichkeitsarbeit nach Außen und Öffentlichkeitsarbeit nach Innen. Erstere soll die Rolle und Aufgabe der Polizei verdeutlichen und Verständnis und Akzeptanz für polizeiliche Maßnahmen (Zufahrtskontrollen, Verkehrskontrollen, Identitätsfeststellungen, Observation, Durchsuchungen, Razzien etc.) und druckerhöhendes niedrigschwelliges Eingreifen schaffen. Letztere soll die Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamten mit dem Phänomen der Rockerkriminalität vertraut machen. Dabei sollen die Beamten auf das besondere Geheimhaltungsbedürfnis und mögliche Konsequenzen bei Verstößen gegen die dienstliche Verschwiegenheitspflicht hingewiesen werden. Explizite Sprachregelungen sollen ein einheitliches polizeiliches Beurteilen und Vorgehen stützen. Das erinnert nicht gerade an eine offene, bürgernahe Polizeiarbeit. Eigenständig denkende und handelnde Polizeibeamte erscheinen dagegen bei der "Rocker-Polizei" unerwünscht.

Eingriffe in den Rechtskreis von Bürgern auf ihre Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit aufgrund eigener Feststellungen und Erfahrungen zu überprüfen, ist kein Vergehen, sondern im demokratisch verfassten Rechtsstaat eine dienstliche Tugend und gerade von hoheitlich Handelnden zu erwartende staatsbürgerliche Selbstverständlichkeit. Dem Sicherheitsgefühl der Bürger ist so verstandenes selbstverantwortliches polizeiliches Handeln zuträglicher, als wenn die Staatsbeamten stumpf in vorgekautem Ministerialjargon Kuttenverbote nach dem Vereinsgesetz aussprechen.

Ebenso wie die auf dem Rücken der Beamten angestrebte Reduzierung von Verfahrenskosten und durchschnittlichen Ermittlungskosten sowie bürokratische Punktesysteme zur Leistungsbeurteilung bringen derartige "Präventionskonzepte" mündige Beamte auf die Palme. So verwundert es nicht, dass "immer mehr Polizeibeamte die Schnauze voll haben" (so Franz Solms-Laubach, Das Ende der Sicherheit – Warum die Polizei uns nicht mehr schützen kann, Droemer 2014) und die Polizei "ausblutet" (so Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in seinem Vorwort zu dem Buch).

Großer Aufwand – bescheidener Erfolg

Zum Treffen des Rockerclubs Hells Angels in einer ehemaligen Diskothek in Helmstedt bei Wolfsburg reiste im August dieses Jahres ein Großaufgebot der Polizei an. Der Motorradclub Hells Angels MC Wolfsburg feierte sein einjähriges Bestehen. Kontrolliert wurde vom Nachmittag bis zum Abend. Zufahrten wurden abgeriegelt, Straßensperren errichtet. 60 Fahrzeuge und 200 Personen wurden überprüft. Zwischenfälle gab es keine.

Zur Abwehr schwerer Straftaten erfolgte der massive Polizeieinsatz nicht. Die Polizisten sollten vor allem überprüfen, ob Teilnehmer verbotene Kennzeichen wie den Schriftzug der Hells Angels und das Symbol des geflügelten Totenkopfes tragen. Bei der Polizei auffällig geworden war das Charter der Hells Angels bis dahin nicht. Es sind Aktionen wie diese, die so manches, wenn auch nur selten öffentlich gezeigtes, Kopfschütteln verursachen.

Es gibt wichtigere Aufgaben, wie ein Blick in die Kriminalstatistik des Bundes zeigt. Seit dem Jahr 2005 nehmen Wohnungseinbruchdiebstähle konstant zu. Deren Auswirkungen für die Opfer sind massiv, weil sie besonders schwere und lang anhaltende Traumata und Ängste verursachen. Die Aufklärungs- und  Verurteilungszahlen liegen erschreckend niedrig (von 100 Tätern werden weniger als sieben polizeilich ermittelt und weniger als zwei verurteilt; so Feltes/Kawelovski, Die Polizei 2014, 136, 137 und 141). Entsprechendes gilt für das enorme Dunkelfeld der sich über Deutschland erstreckenden Netze der italienischen Mafia und die erheblichen Gefahren, die durch nach Deutschland zurückkehrende terroristische Kämpfer und die in Deutschland ansässigen Sympathisanten der Terrormilizen des Islamischen Staats ausgelöst werden. Die Aufzählung lässt sich fortsetzen.

Kernaufgabe der Polizei ist die Abwehr von Gefahren. Hierbei sollte zur richtigen Positionierung, gerade auch angesichts geplanter Einsparungen der bewährte Grundsatz Beachtung finden "first things first".

Der Autor Florian Albrecht ist Rechtsanwalt und Akademischer Rat a. Z. an der Universität Passau. Der Autor Dr. Frank Braun ist Regierungsdirektor an der FHÖV NRW in Münster. Sie sind Herausgeber (Albrecht) und Autoren des am 24. Juni 2014 im Beck Verlag erschienenen Kommentars zum Vereinsgesetz.

Zitiervorschlag

Florian Albrecht, Bekämpfung der Rockerkriminalität: . In: Legal Tribune Online, 17.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13205 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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