2/2: Veto aus dem deutschen Norden
Diese mühsam ausgehandelte Reform des GlüStV findet jedoch nicht den erforderlichen einmütigen Konsens der Bundesländer: Im September 2017 sprach sich eine Mehrheit des neu konstituierten Landtags von Schleswig-Holstein gegen die Novellierung des ersten GlüÄndStV aus. Die neu gewählte Kieler Jamaika-Regierung vereinbarte in ihrem Koalitionsvertrag, dass ein neuer GlüStV neben dem Sportwettenrecht auch den gesamten Bereich des Online-Glücksspiels, insbesondere der Online-Casinospiele und Online-Pokerspiele, regeln solle. Damit fehlt die für das Inkrafttreten des zweiten GlüÄndStV erforderlichen Zustimmung aller 16 Bundesländer: Der Sportwettenmarkt bleibt somit zunächst weiter unreguliert und eine "Grauzone".
Auch im Spielhallensektor bestehen derzeit erhebliche rechtliche Unklarheiten und Unwuchten. Eigentlich sehen der GlüStV und die entsprechenden Landesgesetze eine Reduzierung der Spielhallenlandschaft auf Einzelkonzessionen vor, in denen nach den Vorgaben der Spielverordnung maximal 12 Geldspielgeräte zulässig sind. Neben diesem Verbot der Mehrfachkonzessionen ist im GlüStV nach dem Ablauf einer Übergangsfrist für Bestandsspielhallen eine quantitative Vorgabe zu Mindestabstand zwischen Spielhallenbetrieben geregelt.
Ob und wie diese restriktiven Vorgaben vollzogen werden, ist jedoch unklar: Es existieren keine gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien, an denen sich die jeweils zuständigen Kommunen orientieren könnten. In Anbetracht dessen werden tausende Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erwartet. Nach konservativen Schätzungen der Branche sind bereits 3.000 Verfahren betreffend die Schließung von Spielhallen anhängig.
Europäische Kommission zieht sich zurück, Bundesländer sind gefragt
Darüber hinaus hat die Europäische Kommission mit Pressemitteilung vom 7. Dezember 2017 bekanntgegeben, dass sie die angestoßenen Vertragsverletzungsverfahren und die Behandlung von Beschwerden gegen den Glücksspielsektor einstellt. Sie wolle bei der Durchsetzung von EU-Recht in den einzelnen Mitgliedsstaaten strategisch vorgehen und öffentliche sowie private Interessen gegeneinander abwägen, begründete die Kommission den Schritt. Zudem betonte sie, dass der EuGH wiederholt anerkannt habe, dass die Mitgliedsstaaten das Recht hätten, Glücksspieldienste zu beschränken, sofern dies im öffentlichen Interesse liege.
Die Brüsseler Behörde sagte zwar auch, dass sie die politische Legitimität der Ziele des öffentlichen Interesses anerkenne, die von den Mitgliedsstaaten mit der Regulierung von Glücksspiel-Diensten angestrebt werden. In Anbetracht dessen gehöre es jedoch nicht zu den Schwerpunkten der Kommission, die Befugnisse, über die sie für Vertragsverletzungsverfahren verfügt, zur Förderung des EU-Binnenmarkts im Bereich von Online-Glücksspiel einzusetzen. Mit dieser Entscheidung hat sich die Kommission als eigentliche Hüterin der Verträge und damit der Grundfreiheiten in der EU vom Bereich der deutschen Glücksspielregulierung weitgehend "verabschiedet".
Agieren müssen nun die 16 Bundesländer: Eine grundlegende und systematische, kohärente Überarbeitung des GlüStV ist dringend geboten, Der deutsche Glückspielmarkt braucht einen rechtssicheren Rahmen. Weiteres Zuwarten und fortgesetzte Verzagtheit fördern allein die Grauzone und festigen die "bananenrepublikanischen Zustände" im deutschen Glückspielmarkt.
Der Autor Prof. Dr. Dünchheim ist Partner bei Hogan Lovells in Düsseldorf und berät private und kommunale Unternehmen im öffentlichen Recht.
Der Autor Carsten Bringmann ist Associate bei Hogan Lovells in Düsseldorf und hat sich auf öffentliches Recht spezialisiert.
Regulierung des deutschen Glücksspielmarktes: . In: Legal Tribune Online, 02.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26251 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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