Als Konsequenz aus der Finanzkrise von 2008 wollte die Europäische Kommission deutlich strengere Regeln für den Bereich der Abschlussprüfung einführen. Der Entwurf der deutschen Umsetzung der Richtlinie hat den Bundesrat passiert.
Vor über fünf Jahren legte die Europäische Kommission das Grünbuch "Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus der Krise" vor. Ziel war nichts weniger als die Neuordnung des Marktes der Wirtschaftsprüfung als Konsequenz der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem II. Weltkrieg. Konkret sollten die Qualität der Abschlussprüfungen verbessert und die Aussagekraft der Prüfungsergebnisse gesteigert werden. Darüber hinaus beabsichtigte man, den wesentlich von den größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bedienten Markt der Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse für kleinere Anbieter zu öffnen.
Ihren gesetzlichen Ausdruck fand die Arbeit der Europäischen Kommission in Form der Abschlussprüferverordnung (EU Nr. 537/2014) und der Abschlussprüferrichtlinie (RL 2014/56/EU). Letztere soll in Deutschland durch das Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG) umgesetzt werden, dessen Entwurf der Bundesrat am Freitag gebilligt hat (BR-Drs. 635/15). Damit trägt die Bundesregierung den zeitlichen Vorgaben Rechnung, denn die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht muss bis spätestens 17. Juni 2016 erfolgen; ab diesem Zeitpunkt sind auch die meisten Regelungen der Verordnung anwendbar.
Der Gesetzentwurf beschränkt sich weitgehend auf eine Umsetzung der Vorgaben der Abschlussprüferrichtlinie sowie der rechtlichen Anpassungen aufgrund der Abschlussprüferverordnung in Deutschland, wobei der Gesetzgeber die durch die Richtlinie eingeräumten Mitgliedstaatenwahlrechte umfangreich ausgeübt.
Auch wenn von den Ambitionen des Grünbuchs nur wenig übrig geblieben ist, haben die Regelungen erhebliche Auswirkungen auf die Corporate Governance kapitalmarktorientierter Unternehmen. Dies bringt auch neue Haftungsrisiken für den Aufsichtsrat mit sich.
Prüfer dürfen weiterhin steuerlich beraten
Während die EU-Kommission noch die Erbringung steuerlicher und rechtlicher Beratungsleistungen durch die Gesellschaft des Jahresabschlussprüfers stark einschränken wollte, bleibt es nun bei der – konkretisierten – bisherigen Regelung des Handelsgesetzbuches (HGB). Danach ist Steuerberatung erlaubt, solange dem Selbstprüfungsverbot Rechnung getragen wird – das heißt, dass die Gesellschaft des Abschlussprüfers keine Sachverhalte prüfen darf, die sie zuvor gestaltet hat. Haben die Leistungen allerdings mehr als unwesentliche Auswirkungen, wird also etwa im zu prüfenden Geschäftsjahr der für steuerliche Zwecke zu ermittelnde Gewinn im Inland erheblich gekürzt oder ein erheblicher Teil des Gewinns ins Ausland verlagert, ohne dass eine über die steuerliche Vorteilserlangung hinausgehende wirtschaftliche Notwendigkeit für das Unternehmen besteht, dürfen Steuerberater und Abschlussprüfer nicht identisch sein.
Der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats muss künftig laufend kontrollieren, ob das Selbstprüfungsverbot durch den Abschlussprüfer verletzt wird, und ihm ggf. die Genehmigung zur Beratung versagen bzw. entziehen. Aufgrund der damit verbundenen Gratwanderung dürften Aufträge zur steuerrechtlichen Gestaltung in Zukunft häufiger an nicht ins Prüfungsmandat eingebundene Kanzleien vergeben werden. Denn der Vorsitzende des Prüfungsausschusses wird sich im Krisenfall nicht vorhalten lassen wollen, dass die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers auch nur im Anschein gefährdet gewesen sein könnte.
Höhere Haftungsrisiken für Aufsichtsräte
Die Verantwortung der unternehmensinternen Aufsichtsorgane bei der Begleitung der Abschlussprüfung wird auch in anderen Bereichen erhöht und bei Fehlverhalten künftig stärker sanktioniert. Der neu eingefügte § 333 a HGB enthält eine Strafnorm für besonders gravierende Verstöße gegen die prüfungsbezogenen Pflichten der Mitglieder eines Prüfungsausschusses und ergänzt insoweit die neu eingefügten Ordnungswidrigkeiten-Tatbestände des § 334 Abs. 2 a HGB. Konkret geht es dabei insbesondere um die ordnungsmäßige Auswahl und die bereits angesprochene Überwachung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers sowie die Billigung von entsprechenden Beratungsleistungen.
Entsprechende Regelungen finden sich auch in den §§ 404a und 405 Aktiengesetz (AktG). Insgesamt bedeuten diese Regelungen eine von der Abschlussprüferverordnung gewollte Verschärfung der Sanktionierung von Pflichtverletzungen des Aufsichtsrats bzw. des Prüfungsausschusses.
Rotation sorgt für mehr Bewegung im Prüfungsmarkt
Künftig muss der Aufsichtsrat auch über die Pflicht wachen, den Abschlussprüfer regelmäßig zu wechseln. Die EU-Verordnung sieht grundsätzlich vor, dass ein Prüfungsmandat für kapitalmarktorientierte Unternehmen im Sinne des § 264 d HGB auf zehn Jahre begrenzt ist. Nunmehr wird mit § 318 Abs. 1 a HGB die Möglichkeit geschaffen, diese Höchstlaufzeit bei Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung auf 20 Jahre bzw. bei der Beauftragung eines Joint Audits – also der gemeinsamen Prüfung durch zwei Abschlussprüfer – auf 24 Jahre zu verlängern. Die Bundesregierung greift insoweit den Gedanken auf, dass jede externe Rotation die Gefahr eines erheblichen Verlustes von Informationen hinsichtlich des geprüften Unternehmens bedeuten kann. Damit drohen möglicherweise negative Auswirkungen auf die Prüfungsqualität. Die Bundesregierung macht hier von ihrem Wahlrecht Gebrauch und schwächt damit die Rotationspflicht ab. Allerdings schließt sie Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Finanzmarkt von der Verlängerungsmöglichkeit aus. Die Begründung, dass dadurch spezifische Interessen der Finanzmärkte berücksichtigt werden, kann durchaus kritisch diskutiert werden.
Darüber hinaus legt die Bundesregierung mit § 318 Abs. 1 b HGB fest, dass eine Vereinbarung, die die Wahlmöglichkeiten auf bestimmte Abschlussprüfer einschränkt, nichtig ist. Damit sollen Vertragsklauseln verboten werden, die ein Dritter mit dem geprüften Unternehmen vereinbart, um die Auswahl des Abschlussprüfers zu beeinflussen. Mit solchen sog. "Big Four Only"-Klauseln hatten etwa Beteiligungsgesellschaften oder andere Investoren immer wieder versucht, dem Aufsichtsrat die Auswahl bestimmter Prüfungsgesellschaften vorzuschreiben.
Die Bundesregierung befindet sich mit der Umsetzung der der EU-Richtlinie zur Reform der Jahresabschlussprüfung im Zeitplan. Die Abschlussprüferrichtlinie wird insgesamt in angemessener Weise in deutsches Recht umgesetzt. Auf Aufsichtsräte und Beiräte kommen höhere Haftungsrisiken zu. Mit wesentlichen Änderungen ist bis zur Verabschiedung des Gesetzes nicht mehr zu rechnen.
Martin Wambach ist Geschäftsführender Partner und verantwortlich für das Geschäftsfeld Wirtschaftsprüfung bei Rödl & Partner. Er prüft und berät international tätige Unternehmen sowie öffentliche Betriebe in den Bereichen strategische Unternehmensentwicklung, Controlling, Risikomanagement, Finanzierung sowie Internationalisierung.
Dr. Bernd Keller ist Partner und verantwortlich in der Betreuung von international agierenden Unternehmen im Bereich der Jahres- und Konzernabschlussprüfung tätig. Darüber ist er für die fachliche Weiterentwicklung des Bereiches Wirtschaftsprüfung und die Qualitätssicherung zuständig.
Bundesrat macht Weg für Reform der Abschlussprüfung frei: . In: Legal Tribune Online, 04.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18342 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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