2/2: Bis zu zwei Jahre in Aufnahmeeinrichtung
Neu eingefügt wird § 47 Abs. 1b AsylG. Dieser ermächtigt die Länder, die Höchstdauer des Verbleibs in einer Aufnahmeeinrichtung von sechs Monaten auf zwei Jahre zu erhöhen. Schutzsuchende mit Kindern sind von dieser Ermächtigung nicht ausgenommen. Der "Paritätische" sieht hierdurch das Kindeswohl in Frage gestellt: Eine kindgerechte Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen sei nicht möglich, in vielen Bundesländern würde den Kindern mit dieser Lebenssituation der Zugang zur Schule verwehrt.
Die verlängerte Unterbringung in der Aufnahmeeinrichtung ist mit weiteren erheblichen Konsequenzen für die Betroffenen verbunden, beispielsweise mit dem Verbot der Erwerbstätigkeit nach § 61 Abs. 1 AsylG. Eine Integration in den Arbeitsmarkt wird so für lange Zeit unmöglich gemacht. Bezweifelt werden muss auch, dass für die Schutzsuchenden ein ausreichender Zugang zu Rechts- und Sozialberatung besteht.
Gegenüber Geduldeten, denen eine Verletzung ihrer aufenthaltsrechtlichen Mitwirkungspflichten vorgeworfen wird, soll zukünftig eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthalts angeordnet werden, eine sogenannte Residenzpflicht. Für diesen Personenkreis soll es auch nicht mehr erforderlich sein, dass die Ausländerbehörde Abschiebungen mindestens einen Monat im Voraus ankündigen muss, wenn sie seit mehr als einem Jahr geduldet werden.
Anfechtung der Vaterschaft durch die Behörde
Neu ist auch, dass mit § 85a AufenthG ein "Verfahren bei konkreten Anhaltspunkten einer missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft" eingeführt wird. Ähnliches hatte der Gesetzgeber schon einmal versucht, und wurde vom BVerfG gestoppt: Nach § 1600 Abs.1 Nr. 5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) konnten Behörden eine Vaterschaft anfechten. Das BVerfG hatte die Regelung für nichtig erklärt, da sie gegen das Recht auf Familie verstoße (BVerfG, Urt. v. 17.12.2013, Az. 1 BvL 6/10).
Das nun beschlossene Gesetz hebt zwar einerseits die für nichtig erklärte Norm auf, schafft andererseits zugleich aber auch eine Art Nachfolgeregelung. Dazu wird ein neuer § 1597a in das BGB eingefügt, der ein "Verbot der missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft" regelt. Haben Mutter oder Vater des Kindes den Status eines "Geduldeten", so ist die Beurkundung der Vaterschaft auszusetzen und die Ausländerbehörde zu informieren. Die Ausländerbehörde hat dann zu prüfen, ob die Anerkennung der Vaterschaft missbräuchlich sei und dies ggf. durch Verwaltungsakt festzustellen. Ist diese Feststellung unanfechtbar, ist die Beurkundung abzulehnen. Der "Paritätische" sieht auch insoweit das Kindeswohl gefährdet mit der Begründung, Kinder könnten "auf unbestimmte Zeit ohne familiäre, soziale und staatsbürgerliche Identität bleiben".
Gute Sache: Einführung der Sprungrevision
Durch eine Änderung des § 78 AsylG sollen Sprungrevisionen zukünftig auch im Asylrecht möglich werden. In dieser Änderung schlägt sich der Wunsch nach einer effektiven Vereinheitlichung der asylrechtlichen Rechtsprechung nieder, wogegen an sich freilich auch nichts einzuwenden wäre. Ob dieses Instrument aber in der Praxis wirklich angenommen wird, wird sich erst noch zeigen müssen.
Das Gesetz stellt den Schlusspunkt des aufenthaltsrechtlichen Aktionismus der "Großen Koalition" in dieser Legislaturperiode da. Die Linie bereits der letzten Änderungen wird konsequent fortgesetzt, indem einmal mehr versucht wird, Probleme allein durch Verschärfungen zu Lasten der Flüchtlinge zu lösen. Dabei schreckt der Gesetzgeber nicht davor zurück, die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen mindestens auszureizen, wenn nicht zu überschreiten.
Dabei ist absehbar, dass auch dieses Gesetz nicht den politisch gewünschten Erfolg bringen wird. Denn wo etwa die Passbeschaffung nicht möglich ist, weil ein Staat die Herausgabe von Passersatzpapieren verweigert, hilft auch keine Residenzpflicht. Indem man den Betroffenen in diesen Situationen jedoch das Leben und die Integration so schwer wie möglich macht, werden letztlich mehr Probleme geschaffen, als gelöst. Denn während einerseits Grundrechte immer weiter eingeschränkt werden, wird andererseits das Potenzial von Menschen vergeudet, die sich jederzeit einbringen würden, wenn man sie denn nur ließe.
Der Autor Marcel Keienborg ist Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter an der Uni Düsseldorf. Sein Tätigkeitsschwerpunkt ist das Migrationsrecht.
BT verabschiedet "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht": . In: Legal Tribune Online, 25.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23024 (abgerufen am: 05.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag