Die zuständige Schiedskommission hat die Anträge auf Ausschluss des Ex-Kanzlers aus der Partei abgelehnt. Gerhard Schröder habe mit seiner russland-freundlichen Haltung nicht gegen Grundsätze und Ordnung der SPD verstoßen, so der Beschluss.
Einst bezeichnete Gerhard Schröder seinen Freund Wladimir Putin als "lupenreinen Demokraten" und wischte damit alle Einwände gegen den Kreml-Herrscher vom Tisch. Hat die SPD-Schiedskommission nun Gerhard Schröder zum "lupenreinen Sozialdemokraten" erklärt? Ganz so glatt liest sich der neun-seitige Beschluss, der LTO vorliegt, dann doch nicht. Immer wieder versuchte das Gremium, sich zumindest moralisch etwas von Schröder abzusetzen.
Parteijuristisch hatten sie jedoch nichts zu beanstanden. Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat mit seiner russland-freundlichen Haltung nicht gegen Grundsätze und Ordnung der SPD verstoßen, so der Beschluss. Er wird daher nicht ausgeschlossen, ja er wird nicht einmal gerügt. Gegen den Beschluss ist aber noch Berufung möglich.
17 Anträge gegen Schröder
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine haben 17 Parteigliederungen Maßnahmen gegen den Ex-Parteivorsitzenden und Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder gefordert. In der SPD kann jede Parteigliederung aus dem ganzen Bundesgebiet den Ausschluss eines SPD-Mitglieds beantragen. Im Fall von Ex-Kanzler Gerhard Schröder wurde der erste Ausschlussantrag am 2. März 2022 vom Kreisverband Heidelberg gestellt.
Es folgten zwei weitere Kreisverbände (Mettmann, Rhein-Pfalz-Kreis), ein Unterbezirk (Würzburg) und 13 Ortsverbände. Sie warfen Schröder die Verharmlosung des Angriffskrieges, die Freundschaft zum russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie seine Posten in russischen Energie-Unternehmen wie Gazprom, North Stream und Rosneft vor.
Da Schröder Mitglied im SPD-Ortsverein Hannover-Oststadt/Zoo ist, wurde das Verfahren bei der Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover geführt. Der dreiköpfigen Schiedskommission gehörten Heiger Scholz (Sozial-Staatssekretär in der niedersächsischen Landesregierung), Birgit Honé (niedersächsische Europaministerin) und Manfred Müller (ehemaliger Stadtrat von Hannover) an. Alle haben keine weiteren Posten in der Partei.
Schröder ignorierte das Verfahren
Die Schiedskommission hatte am 14. Juli eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der alle Antragsteller bis auf drei Ortsvereine vertreten waren. Da manche Gliederungen sich gemeinsam vertreten ließen, saßen auf Seiten der Antragsteller elf Personen.
Gerhard Schröder als Antragsgegner ignorierte das Verfahren. Sein Büro ließ mitteilen, dass Schröder an diesem Termin im Urlaub sei. Doch er stellte auch keinen Antrag auf Verschiebung, schickte keinen Anwalt als Vertretung und legte auch keine schriftliche Stellungnahme vor. Ein SPD-Parteiordnungsverfahren ist auch gegen einen Abwesenden möglich.
Das auf zwei Tage angesetzte Verfahren konnte wegen Schröders Abstinenz schon nach einem Tag abgeschlossen werden. Am Ende beantragten alle vertretenen Gliederungen den Ausschluss des Ex-Kanzlers aus der SPD.
Die Verhandlung war mitglieder-öffentlich. Es nahmen aber nur eine Handvoll interessierte SPD-Mitglieder als Zuschauer teil. Dies wäre sicher anders gewesen, wenn Genosse Gerd erschienen wäre.
Die Schiedskommission kam schon am folgenden Tag zu ihrem Urteil und arbeitete am vergangenen Wochenende noch an der Begründung. Die Diskussionen mussten per Videokonferenz stattfinden, weil sich alle drei Kommissionsmitglieder im Urlaub befanden.
Ordnung und Grundsätze der SPD
Die Schiedskommission kam in ihrer Entscheidung zum Ergebnis, dass Schröder weder die Ordnung noch die Grundsätze der Partei verletzt hat. Auf die Frage, ob Schröders Verhalten der Partei geschadet hat, kam es deshalb gar nicht mehr an.
Als Verstoß gegen die Grundsätze der SPD gilt es laut Schiedskommission insbesondere, wenn das Gebot der innerparteilichen Solidarität außer Acht gelassen wird oder das Mitglied sich einer ehrlosen Handlung schuldig macht. Gegen die Ordnung der Partei verstößt ein Mitglied, das beharrlich Beschlüssen des Parteitages oder der Satzung zuwiderhandelt.
SPD bleibt Friedenspartei
Gleich zu Beginn der Entscheidung stellte das Schiedsgericht fest: "Die SPD ist die deutsche Friedenspartei." Mit der Mitgliedschaft in der SPD sei es daher unvereinbar, den kriegerischen Überfall eines Staates auf einen anderen zu rechtfertigen.
Das habe Schröder aber auch nicht getan, so die Schiedskommission. Schon am Tag des russischen Einmarsches in die Ukraine habe Schröder erklärt, die "Sicherheitsinteressen Russlands rechtfertigen nicht den Einsatz militärischer Mittel". Auch habe er den russischen Krieg als "Fehler" bezeichnet.
Es wäre zwar wünschenswert, wenn Schröder sich deutlicher distanzieren würde. Aber Schröders Äußerungen stünden nicht soweit außerhalb der Programmatik der SPD, dass die SPD diese nicht mehr ertragen müsste, so die Schiedsrichter:innen.
Freundschaft ist privat
Auch Schröders Freundschaft mit Kriegsherr Putin verstoße nicht gegen die Grundsätze der SPD. "Der Bereich der persönlichen Freundschaftsbeziehungen gehört nach Auffassung der Schiedskommission zum höchstpersönlichen Bereich der Lebensgestaltung, so unverständlich oder wenig nachvollziehbar diese aus sozialdemokratischer Sicht auch sind."
Zur bloßen Freundschaft müsse deshalb weiteres hinzukommen, um von einer Verletzung der Partei-Grundsätze auszugehen, etwa dass Schröder den russischen Präsidenten in seinem kriegerischen Denken bestärkt. Derartiges sei aber "nicht erkennbar", so das Schiedsgericht.
Keine Distanzierung von Gazprom nötig
Schließlich beanstandete die Schiedskommission auch nicht Schröders gutbezahlte Mitarbeit in den Gremien russischer Energie-Unternehmen. Im Mai hatte Schröder zwar angekündigt, seinen Aufsichtsratsposten bei Rosneft niederzulegen, die Schiedskommission stellte jedoch fest, dass Schröder laut seiner eigenen LinkedIn-Seite den Rückzug zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Mitte Juli noch nicht vollzogen hatte.
Es wäre zwar "wünschenswert" gewesen, so die Schiedskommission, dass Schröder sich aus solchen Gremien zurückzieht, er sei hierzu als Sozialdemokrat aber nicht verpflichtet. Üblicherweise könne die Parteiordnung nur durch aktives Verhalten verletzt werden, nicht durch bloßes Unterlassen. Schröder habe insofern auch keine "Garantenstellung" und auch keine allgemeine "Schadensvermeidungspflicht". Schröder treffe deshalb keine Pflicht, sich von den russischen Unternehmen zu distanzieren.
Berufung ist möglich
Gegen die Entscheidung der erstinstanzlichen Schiedskommission kann binnen zwei Wochen Berufung zur Bezirksschiedskomission des SPD-Bezirks Hannover eingelegt werden. Nach der mündlichen Verhandlung hatten viele beteiligte Orts- und Kreisverbände bereits Rechtsmittel angekündigt, sollte Schröder nicht ausgeschlossen werden.
Der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin war 2020 erst im dritten Anlauf wegen seiner muslimfeindlichen Interviews und Bücher aus der SPD ausgeschlossen worden.
Schiedskommission lehnt Anträge auf Parteiausschluss ab: . In: Legal Tribune Online, 08.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49263 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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