Europaparlament beschließt Gemeinsames Asylrecht: "Wir bewältigen mehr Anträge als Griechenland"

Interview mit Dr. Ole Schröder

14.06.2013

2/2: "Behörden sollen schneller über Asylanträge entscheiden"

LTO: Anfang 2011 stellte das BVerfG ein Verfahren gegen eine Abschiebung nach Griechenland ein, nachdem die Bundesregierung zugesichert hatte, bis 2012 nicht mehr nach Griechenland abzuschieben. Bis 2012 sollte eigentlich auch das Gemeinsame Asylsystem stehen. Nachdem sich dies nun verschoben hat: Werden solange auch die Abschiebungen nach Griechenland weiter ausgesetzt?

Schröder: Ja, zuletzt hat Bundesinnenminister Friedrich diese Entscheidung bis zum 12. Januar 2014 verlängert. Das soll der griechischen Regierung  helfen, ihr Asylsystem zu verbessern, das insgesamt nach wie vor erhebliche Mängel aufweist. Damit wird das Dublin-System aber nicht als solches in Frage gestellt.

LTO: Nach der Aufnahmerichtlinie dürfen Asylbewerber für eine bestimmte Zeit nicht arbeiten. Dieser Zeitraum soll nun von zwölf auf neun Monate verkürzt werden. Wieso?

Schröder: Das ist das Ergebnis intensiver Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten. Während sich letztere ursprünglich mehrheitlich für einen Arbeitsmarktzugang spätestens nach einem Jahr ausgesprochen hatten, sah der ursprüngliche Kommissionsvorschlag eine Verkürzung der Frist auf sechs Monate vor. Die nun gewählte Frist von neun Monaten ist ein vertretbarer Kompromiss, da die Mitgliedstaaten weiter die Möglichkeit haben, vorrangig zu prüfen, ob ein EU-Staatsangehöriger für die Stelle in Betracht kommt, auf die sich der Asylsuchende bewerben will.

LTO: Warum gibt es dieses Arbeitsverbot überhaupt?

Schröder: Es soll den Anreiz verringern, das Asylsystem zu nutzen, um allein aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zu kommen.

LTO: Was regelt die neue Asylverfahrensrichtlinie?

Schröder: Die Neufassung der Richtlinie sieht unter anderem vor, dass die Behörden künftig über einfache Asylanträge innerhalb von sechs Monaten entscheiden. Eine Verlängerung dieser Frist auf bis zu 18, im Einzelfall sogar auf bis zu 21 Monate, bleibt jedoch möglich.

Außerdem sollen Opfer von Folter und Gewalt künftig schneller als bisher adäquate Unterstützung bekommen.
Wie eben schon erwähnt sieht die neue Asylverfahrensrichtlinie auch vor, dass Bewerber, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die dagegen klagen, grundsätzlich ein Bleiberecht bis zur Entscheidung des Gerichts haben. Allerdings können die Mitgliedstaaten hiervon Ausnahmen machen.

"Flughafenverfahren hat sich bewährt"

LTO: Deutschland konnte erreichen, dass das Flughafenverfahren, nach dem Bewerber mit aussichtslosen Anträgen rasch ausgewiesen werden können, erhalten bleibt. Wieso war Ihnen das wichtig?

Schröder: Das Flughafenasylverfahren gewährleistet, dass Asylbewerbern, die offensichtlich keines Schutzes bedürfen, die Einreise erst gar nicht gestattet werden muss. Das Verfahren wurde in Deutschland 1992/1993 eingeführt. Zuvor konnte ein Asylantrag zu einem mehrjährigen Aufenthalt in Deutschland führen, während dem dann auch Sozialleistungen in Anspruch genommen wurden.

Wir haben uns für die Beibehaltung dieser Regelung eingesetzt, weil sie sich in der Praxis bewährt hat. Sie wird in Deutschland sachgerecht und verantwortungsvoll angewandt: Von den 787 Asylanträgen an deutschen Flughäfen im Jahr 2012 wurden nur 60 in diesem Schnellverfahren, also innerhalb von zwei Tagen entschieden.

LTO: Die Dublin-III-Verordnung und die Aufnahmerichtlinie hätten schon viel früher beschlossen werden sollen. Auch das BMI hat sich aber dafür eingesetzt, die Abstimmung im Europäischen Parlament zu verschieben. Warum?

Schröder: Nach dem Stockholmer Programm sollte das Gemeinsame Europäische Asylsystem bis Ende 2012 abgeschlossen sein. Unter zyprischer Präsidentschaft einigten sich das Europäische Parlament, der Rat und die EU-Kommission auf die Änderungen an der Dublin-Verordnung und die Asyl-Aufnahmerichtlinie. Die Verhandlungen zur Asyl-Verfahrensrichtlinie sowie zur Eurodac-Verordnung konnten dagegen nicht vollständig abgeschlossen werden.

Die einzelnen Rechtsakte enthalten untereinander aber zahlreiche Querverweise. Diese müssen angesichts der komplexen Materie gut aufeinander abgestimmt sein. Deutschland hat sich daher zusammen mit anderen Mitgliedstaaten dafür eingesetzt, diese gemeinsam zu verabschieden, um die Rechtsetzungsqualität zu gewährleisten.

Dr. Ole Schröder ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern.

Die Fragen stellte Claudia Kornmeier.

Zitiervorschlag

Europaparlament beschließt Gemeinsames Asylrecht: . In: Legal Tribune Online, 14.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8930 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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