Die Inanspruchnahme von Elternurlaub darf den beruflichen Aufstieg von Beamten nicht behindern. Eine erfreuliche Entscheidung für die Vereinbarkeit von Kind und Karriere, findet Nicole Wolf. Und ein eindeutiger Auftrag an den Dienstherrn.
Eine Regelung im Beamtengesetz des Landes Berlin (LBG Berlin), wonach die Probezeit für einen Bewerber um ein Amt mit leitender Funktion im öffentlichen Dienst auch dann nicht verlängert werden kann, wenn sich der Bewerber während des überwiegenden Teils der Probezeit in Elternzeit befindet, ist mit europäischem Recht nicht vereinbar. Eine solche Regelung verstoße gegen die europäische Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub (Anhang zur Richtlinie 2010/18/EU) und dürfe deshalb nicht angewendet werden. Das hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden (Urt. v. 07.09.2017, Az. C-174/16).
Ausgangspunkt der Entscheidung war die Klage einer Beamtin des Landes Berlin vor dem dortigen Verwaltungsgericht (VG). Sie hatte sich in einem Auswahlverfahren um ein Amt mit leitender Funktion durchgesetzt und war unter Berufung auf ein Beamtenverhältnis auf Probe befördert worden. In den nächsten zwei Jahren sollte sie sich in dem ihr probeweise übertragenen Beförderungsamt bewähren und zeigen, dass sie dessen Aufgaben und Anforderungen des Amtes gewachsen ist. Weil sie zunächst schwangerschaftsbedingt krank, danach im Mutterschutz und anschließendem fast drei Jahre lang im Elternurlaub war, trat die Beamtin dieses Beförderungsamt jedoch nicht an.
Nach Ablauf von gut zwei Jahren teilte das Land Berlin daraufhin der zu diesem Zeitpunkt noch im Elternurlaub befindlichen Beamtin mit, es sei nicht feststellbar, dass sie sich im Beförderungsamt bewährt habe, da sie dieses Amt de facto nie ausgeübt habe. Ihr werde deshalb wieder ihr altes, status- und besoldungsrechtlich niedrigeres Amt übertragen. Die bessere Stelle hatte das Land Berlin zwischenzeitlich anderweitig vergeben.
§ 97 LBG Berlin: Nicht ausgeübt hieß nicht bewährt
Diese Entscheidung stützte das Land auf eine entsprechende Regelung in § 97 LBG Berlin. Danach ist eine Verlängerung bzw. Unterbrechung der Probezeit bei elternzeitbedingter Abwesenheit vom Dienst ausgeschlossen. Das von der Beamtin daraufhin angerufene VG Berlin hatte Zweifel, ob diese gesetzliche Regelung mit europäischem Recht vereinbar ist und legte dem EuGH die Sache vor.
Der ließ nun keine Zweifel daran, dass Regelungen wie die im LBG Berlin mit europäischem Recht nicht zu vereinbaren sind. Die europäische Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub diene gerade dazu, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Eltern sollten ihre Berufstätigkeit unterbrechen können, um sich den familiären Verpflichtungen zu widmen. Im Anschluss an den Elternurlaub solle die Rückkehr ins Berufsleben zu den Bedingungen erfolgen, die bei Antritt der Elternzeit bestanden. Der Beamte solle sich mit anderen Worten gerade nicht darum sorgen müssen, dass Rechte, die er vor Antritt des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben, verloren gehen.
Eine nationale Regelung wie die im Berliner Beamtengesetz führe hingegen dazu, dass Beamte davon abgehalten würden, sich für den ihnen gesetzlich zustehenden Elternurlaub zu entscheiden. Sie müssten nämlich befürchten, dass sie ihre Rechte auf das Beförderungsamt verlieren, wenn sie sich nicht innerhalb der zwingenden und nicht verlängerbaren zweijährigen Probezeit bewähren. Eine über die Mindestdauer von vier Monaten hinausgehende Elternzeit oder gar ihre vollständige Ausschöpfung – in Deutschland drei Jahre – würden somit verhindert.
Der EuGH hat deshalb eine derartige nationale Regelung für mit europäischem Recht unvereinbar erklärt. Dies führt dazu, dass eine solche Regelung fortan nicht mehr angewendet werden darf.
EuGH zur Probezeit bei Elternurlaub von Beamten: . In: Legal Tribune Online, 11.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24457 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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