Wo können die fliegenden Arbeitnehmer von Fluggesellschaften klagen? Der EuGH stellt nun darauf ab, wo sie den Großteil ihrer Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber erfüllen. Die Indizienprüfung erklärt Robert von Steinau-Steinrück.
Eine Reihe von Arbeitnehmern von Ryanair aus Portugal, Spanien und Belgien wollte ihren Arbeitgeber bzw. die Gesellschaft (Crewlink) verklagen, die sie an Ryanair als Kabinenpersonal überlassen hat. Wie alle anderen Arbeitnehmer des "fliegenden Personals" standen sie vor der Frage, wo sie klagen sollen.
Ryanair und Crewlink sind beide in Irland ansässig. Ryanair als internationale Luftfahrtgesellschaft und Crewlink, die das fliegende Personal einstellt und schult und sodann Ryanair zur Verfügung stellt. Die Arbeitsverträge waren in englischer Sprache abgefasst und unterlagen irischem Recht. Sie enthielten auch eine Gerichtsstandklausel zu Gunsten irischer Gerichte. Schließlich wurde auch ihr Gehalt auf ein irisches Bankkonto überwiesen. Gleichzeitig sahen die Arbeitsverträge aber vor, dass "Heimatbasis" (Homebase) der Arbeitnehmer der Flughafen Charleroi (Belgien) ist. Dort begannen und beendeten die Arbeitnehmer ihre Arbeitstage und waren auch vertraglich verpflichtet, weniger als eine Stunde von dieser Heimatbasis entfernt zu wohnen.
Sechs dieser Arbeitnehmer haben im Jahr 2011 Klage bei dem belgischen Arbeitsgericht Charleroi erhoben, mit der sie die Zahlung verschiedener Beträge u.a. wegen nachträglicher Gehaltsanpassungen geltend machten. Das Arbeitsgericht Charleroi erklärte sich für unzuständig und wies die Klagen ab. Nachdem die Arbeitnehmer Rechtsmittel bei der nächst höheren Instanz, dem Arbeitsgerichtshof Mons in Belgien eingelegt haben, hat dieser den EuGH um Prüfung der Zuständigkeit gebeten.
In dem Verfahren geht es damit generell um die Frage, welches im Luftverkehr der Ort ist, "an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet". Diesen sieht nämlich die einschlägige Verordnung (EG Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000) als maßgeblich für die Bestimmung der gerichtliche Zuständigkeit an. Außerdem geht es dabei um die Frage, ob dieser Begriff mit demjenigen der "Heimatbasis" in einer die Zivilluftfahrt betreffenden Unionsverordnung gleichgesetzt werden kann.
EuGH: "Heimatbasis" bleibt ein wichtiges Indiz
Der EuGH bleibt bei seiner ständigen Rechtsprechung: Der Ort, "an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet", ist danach derjenige, an dem oder von dem aus er den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt. Für die genaue Bestimmung diese Ortes im Einzelfall muss das nationale Gericht jeweils auf eine Reihe von Indizien abstellen. Dazu gehört u.a. im Luftverkehr, in welchem Mitgliedsstaat der Ort liegt, von dem aus der Arbeitnehmer seine Verkehrsdienste erbringt, an den er danach zurückkehrt, an dem er Anweisungen dazu erhält und seine Arbeit organisiert und an dem sich schließlich die Arbeitsmittel befinden. Außerdem ist dabei der Ort zu berücksichtigen, an dem die Flugzeuge stationiert sind, in denen die Arbeit für gewöhnlich verrichtet wird.
Maßgeblich für die Bestimmung des zuständigen Gerichtes ist somit eine indiziengestützte Methode. Dagegen kann der so zu ermittelnde Ort, "an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet" mit keinem Begriff aus einem anderen Unionsrechtsakt und auch nicht mit dem Begriff der "Heimatbasis" gleichgesetzt werden. Allerdings bleibt der Begriff der "Heimatbasis" ein wichtiges Indiz.
Im Übrigen weist der EuGH darauf hin, dass die europäischen Zuständigkeitsvorschriften bei Rechtsstreitigkeiten über Arbeitsverträge die Arbeitnehmer als schwächere Vertragsparteien schützen sollen. Daher können die Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber vor dem Gericht verklagen, das ihnen am nächsten steht; sie können vor einem Gericht des Mitgliedstaats klagen, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat oder vor dem Gericht des Ortes, an dem sie als Arbeitnehmer ihre Arbeit gewöhnlich verrichten. Außerdem bestätigt der EuGH, dass eine Gerichtsstandsklausel unwirksam ist, wenn sie den Arbeitnehmern verbietet, die nach den einschlägigen Unionsvorschriften zuständigen Gerichte anzurufen.
Mit dieser Entscheidung bringt der EuGH deutlich mehr Klarheit in die im Luftverkehr schwierige Frage nach dem zuständigen Gericht. Mit der indiziengestützten Methode hat sich der Gerichtshof weitgehend den Schlussanträgen des Generalanwaltes angeschlossen. Damit dürfte sich in den meisten Fällen das zuständige Gericht einigermaßen zuverlässig bestimmen lassen. In diesem Verfahren liegt der Ball damit wieder im Spielfeld des nationalen Gerichtes, hier des Arbeitsgerichtshof in Mons. Im zugrundliegenden Fall spricht viel für eine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Charleroi.
Der Autor Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück ist Partner und Rechtsanwalt bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Berlin.
EuGH zum zuständigen Gericht für Ryanair-Personal: . In: Legal Tribune Online, 14.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24533 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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