Edathys relativiertes Geständnis : Die Geister, die die Staatsanwaltschaft rief

von Pia Lorenz

02.03.2015

2/2: Deal umgangen, widersprüchliches Verhalten gefangen

Matthias Jahn sieht in der vor dem LG Verden offenbar von allen Beteiligten einvernehmlich gewählten Einstellung gegen Auflagen eine gesetzeswidrige Auslegung und Anwendung der Einstellungsvorschrift des § 153a* StPO. Der korrekte Weg hätte seiner Ansicht nach über eine formalisierte Verständigung der Beteiligten geführt. Solche sogenannten Deals gestattet die StPO seit 2009 ganz offiziell, im Jahr 2013 erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Vorschrift des § 257c für so gerade noch verfassungsgemäß.

Bei einem Deal aber hätte Sebastian Edathy gestehen müssen. Laut § 257 c Abs. 2 S. 2 StPO soll Bestandteil jeder Verständigung ein Geständnis sein. "Dieses hätte er zudem selbst und nicht durch eine verlesene Erklärung seines Verteidigers abgeben müssen", erklärt der Geschäftsführende Direktor des Instituts für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie in Frankfurt. Außerdem hätte Edathy auch für Nachfragen der Verfahrensbeteiligten zur Verfügung stehen müssen - sicherlich wäre das dem Ex-Politiker, der stets seine Unschuld beteuerte, weit schwerer gefallen als das am Montag abgegebene kurze Anschlussstatement, er mache sich die Erklärung seines Verteidigers zueigen.  

Nach der Rechtsprechung des BVerfG aus dem Jahr 2013 hätten Gericht, Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte zudem in der Hauptverhandlung vor den Augen und Ohren der Öffentlichkeit bekanntgeben müssen, von wem die Initiative zu den Verständigungsgesprächen ausgegangen ist, wer welchen Vorschlag gemacht hat und wie die anderen Beteiligten darauf reagiert haben.

Für Strafrechtler Jahn liegt die Vermutung nah, dass diese strengen Anforderungen des Gesetzes zur Urteilsabsprache im Strafverfahren an die Transparenz und die Öffentlichkeit des Verständigungsverfahrens im Fall Edathy ausmanövriert werden sollen. "Man kann den Verdacht haben, dass die Staatsanwaltschaft in Fällen à la Edathy zwar wie bei einer förmlichen Absprache ein Geständnis verlangt. Die Transparenz aber, welche für wirksame Verständigungen erforderlich ist, möchte sie vermeiden, indem das Ganze als Einstellung des Verfahrens deklariert wird". Dass der Angeklagte danach in der Öffentlichkeit behauptet, er habe gar kein Geständnis abgegeben, ist "ein vorhersehbarer Kollateralschaden", so der Strafrechtler.

Die letzte Chance auf Rechtsstaat vertan

Es liegt auf der Hand, dass die Glaubwürdigkeit der Justiz durch solche Kollateralschäden stark erschüttert wird. Es ist ebenjene Glaubwürdigkeit, die Grundlage sämtlicher gesetzlicher Regelungen für Verständigungen in Strafverfahren ist. Nur eine vollumfänglich informierte Öffentlichkeit hat überhaupt potenziell die Möglichkeit, zu verstehen, weshalb Recht im strafrechtlichen Verfahren überhaupt disponibel sein soll.

Die Verantwortung dafür tragen die Gerichte, vor allem aber auch die Staatsanwaltschaft, das betont auch das BVerfG immer wieder. In Sachen Edathy war das die Behörde, die das Verfahren offenbar nicht per Strafbefehl beenden wollte. Gegen deren Leiter nun wegen Geheimnisverrats ermittelt wird. Die sich geweigert hat, das Verfahren gegen den Mann, dessen Existenz sie schon mit ihren Ermittlungen faktisch vernichtet hatte, vor dem Prozessbeginn einzustellen - weil Edathy kein Geständnis ablegen wollte.

Sebastian Edathy, mag er schuldig oder unschuldig sein, ist der Beschuldigte und hat als dieser das Recht, den für sich besten Weg zu wählen. Das Gericht und vor allem die Staatsanwaltschaft aber haben mit einer vermauschelten Einstellung nach § 153a StPO die Möglichkeit vertan, wenigstens beim letzten Schritt in der Affäre Edathy etwas richtig zu machen. Für den Angeklagten. Für die Öffentlichkeit. Und für den Rechtsstaat. 

Mit Materialien von dpa.

*Anm. d. Red.: a nachträglich eingefügt am 03.03.2015, 14:05 Uhr.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Edathys relativiertes Geständnis : . In: Legal Tribune Online, 02.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14823 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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