Ein gefälschtes Luxus-Handy könnte für einen eBay-Käufer zum Glücksfall werden – und den Verkäufer teuer zu stehen kommen. Der BGH entschied am Mittwoch, dass ein niedriges Einstiegsgebot kein Indiz für ein Plagiat ist. Der Vertrag sei auch nicht deshalb nichtig, weil der Kaufpreis weit unter dem vermeintlichen Wert liegt. Warum der Käufer nun auf eine Menge Schadensersatz hoffen darf, weiß Roland Schimmel.
Die Hoffnung des Käufers, ein "Schnäppchen" zu machen, ist der vielleicht wichtigste Erfolgsfaktor von Online-Auktionsplattformen. Sie erfüllt sich bei weitem nicht immer – und jeder kennt kuriose Berichte von Bieterschlachten, an deren Ende der Verkäufer mehr erzielt, als die verkaufte Sache je wert war.
Juristisch diskutiert werden aber in erster Linie Sachverhalte mit gegenteiligem Ergebnis: Der Verkäufer will sich vom Vertrag lösen, weil er weniger erlöst als erhofft. Der Käufer wird sich in den meisten Fällen jedoch schwerlich damit einverstanden erklären, den Vertrag einvernehmlich aufzuheben. Schließlich hat er umgekehrt ein gutes Geschäft gemacht.
Der Bundesgerichtshof hatte jetzt im Fall eines gefälschten Edel-Handys zu entscheiden, ob ein eBay-Kaufvertrag wegen Wuchers nichtig ist, wenn der Kaufpreis erheblich unter dem vermeintlichen Wert der Auktionssache liegt. Nebenbei klärte das Karlsruher Gericht die Frage, ob der Einstiegspreis der Auktion ein Indiz für eine Fälschung ist.
Dass Streitigkeiten über eBay-Schnäppchen immer wieder die Gerichte beschäftigen, ist kein Zufall. Denn rechtlich kann gerade das gute Geschäft ein schlechtes sein. Hat der Käufer einen besonders günstigen Preis erzielt und den Verkäufer bewuchert, versagt die Rechtsordnung dem Geschäft die Wirksamkeit. Der Höchstbietende kann nicht verlangen, dass der Vertrag erfüllt wird.
Wo fängt der Wucher an?
Allerdings ist der Begriff des Wuchers im rechtlichen Sinne enger als im alltäglichen Sinne. Er setzt nicht nur voraus, dass der Preis erheblich vom Wert abweicht, sondern auch, dass ein Beteiligter die Schwäche oder Ahnungslosigkeit des anderen ausnutzt. Dazu muss er aber die Schwächesituation des anderen kennen. Das ist oft nicht zu beweisen. Die Rechtsprechung behilft sich deshalb mit einer Vermutung: Je deutlicher der erzielte Preis und der Wert auseinanderfallen, desto mehr muss sich der Schnäppchenjäger den Vorwurf gefallen lassen, er habe seinen Vertragspartner wissentlich "über den Tisch gezogen".
Gar nicht so klar ist allerdings, ob das auch für Kaufverträge gilt, die "auf eBay" geschlossen wurden. Anders als etwa bei einem wucherischen Miet- oder Arbeitsvertrag liegt einem eBay-Kaufvertrag ein versteigerungsartiges Modell der Preisbestimmung zugrunde. Schließlich lassen sich sowohl der Anbieter der Ware als auch die Kaufinteressenten sehenden Auges auf einen Mechanismus ein, der einerseits einem breiten Markt nachgebildet ist, andererseits aber jedem die Chance auf ein Schnäppchen bietet.
Die Beteiligten müssen deshalb auch nur in sehr geringem Maße vor ungerechten Preisen geschützt werden: Hofft ein Versteigerer durch einen Bieterwettstreit einen über dem Wert liegenden Preis zu erzielen, muss er auch damit leben, dass der Endpreis hinter seinen Erwartungen zurückbleibt. Es wäre geradezu widersprüchlich, wenn sich der enttäuschte Anbieter durch die Berufung auf Wucher im Nachhinein aus dem Risiko stehlen will, das er in der Hoffnung auf einen hohen Ertrag eingegangen ist.
Ein Plagiat, kein Schnäppchen
Man kann aber auch genau umgekehrt argumentieren, dass das Wucherverbot gerade Verträge ausschließen soll, bei denen Wert von Leistung und Gegenleistung in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zueinander stehen. Wer also ein ungewöhnlich günstiges Schnäppchen erwerben will, müsse mit dem Einwand des Wuchers rechnen – und für den Fall des Rechtsstreits eben Vorsorge treffen, um seine verwerfliche Gesinnung widerlegen zu können.
Beide Standpunkte haben die Instanzgerichte bei Rechtsstreitigkeiten bereits eingenommen, wenn über unvorteilhafte eBay-Verträge gestritten wurde.
Jetzt hat sich erstmals der BGH zu dem Problem geäußert. Gestritten hatten der Verkäufer und der Ersteigerer eines Vertu-Mobiltelefons mit einem Neupreis von ca. 24.000 Euro. Der Verkäufer hatte das Telefon zu einem Startpreis von 1 Euro auf der Auktionsplattform eingestellt, ohne einen Mindestpreis festzulegen. Der Käufer hatte maximal 2.000 Euro geboten und bei 782 Euro den Zuschlag erhalten. In dem Urteil vom 28. März (Az. VIII ZR 244/10) hat der VIII. Zivilsenat entschieden, dass dieser eBay-Kaufvertrag aufgrund der besonderen Situation bei einer Internetversteigerung nicht als wucherisches oder wucherähnliches Geschäft nichtig ist.
Komplizierter wurde der Streit auch deshalb, weil der Käufer das Telefon bei der Übergabe als fast wertloses Plagiat identifizierte und sich weigerte, es entgegenzunehmen. Im Prozess verlangte er vom Verkäufer Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinem Gebot und dem tatsächlichen Wert eines echten Vertu-Mobiltelefons. Damit musste der BGH auch darüber entscheiden, ob der Käufer angesichts der Produktbeschreibung und des niedrigen Startpreises überhaupt annehmen durfte, auf ein echtes Telefon zu bieten.
Der Preis ist kein Indiz für eine Fälschung
Der Verkäufer hatte sich darauf berufen, das angebotene Telefon sei nicht mangelhaft, weil keine Vereinbarung über die Eigenschaft "echtes Vertu" getroffen worden sei. Angesichts des Mindestgebots von 1 Euro habe der Käufer kein Original erwarten können. Dieser Argumentation hat der BGH eine Absage erteilt. Unter den Bedingungen einer Auktion sei aus dem niedrigen Startpreis keine Aussage über die Echtheit abzuleiten.
Das überzeugt. Schließlich ist es geradezu eine eBay-Alltagserfahrung, dass auch höherwertige Gegenstände zu einem winzigen Startpreis eingestellt werden. Der Anbieter verbindet damit die Hoffnung, zunächst ein Strohfeuer niedriger Gebote zu entfachen, das dann über die Laufzeit des Angebots immer höhere Preise zur Folge hat, die günstigstenfalls gegen Ende den wirklichen Wert der Ware noch übertreffen. Diese "Küchenpsychologie der eBay-Auktion" ist allgemein verbreitet – und verbietet es vom Preis auf die Echtheit der Ware zu schließen. Alles andere wäre auch einigermaßen verwunderlich: Müsste der Kaufinteressent von vornherein davon ausgehen, eine Fälschung untergejubelt zu bekommen, wenn der Startpreis nur niedrig genug ist?
Der BGH hat den Rechtsstreit zur weiteren Tatsachenaufklärung an das zuständige Oberlandesgericht (OLG) zurückverwiesen. Dieses muss nun erneut prüfen, ob ein Bieter durch die Umstände des Kaufangebots von einem Originalprodukt ausgehen musste oder nicht. In diesem Fall stünde dem Käufer ein Schadensersatz in der Höhe der Differenz des Auktionspreises und des Wertes eines echten Handys zu. Rund 23.000 Euro. Wenigstens die Frage nach dem Wucher darf aber jedenfalls jetzt schon als höchstrichterlich entschieden gelten.
Prof. Dr. Roland Schimmel ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und lehrt Privatrecht u.a. an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
Roland Schimmel, BGH zu Plagiaten bei eBay: . In: Legal Tribune Online, 29.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5893 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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