Drogenhunde im Einsatz: Spür­nasen im rechts­f­reien Raum?

Gastbeitrag von Prof. Dr. Andreas Ransiek

23.06.2023

Sie schnüffeln auf gut Glück, manchmal nur bei Verdacht oder polizeilicher Gefahrenlage. Meistens bedarf der Einsatz von Spürhunden keiner richterlichen Anordnung. Wann ist dieser also zulässig? Andreas Ransiek erläutert die Rechtslage.

Aufgrund eines anonymen Tipps streift ein Polizeibeamter mit einem Spürhund durch die Flure eines Mietshauses und lässt ihn an den Wohnungstüren nach illegalen Drogen schnuppern. Schlägt der Hund an, kann im Anschluss ein hinreichender Verdacht zur Durchsuchung der Wohnung leicht begründet werden. Die nach § 105 Strafprozessordnung (StPO) in der Regel erforderliche richterliche Anordnung dürfte wie selbstverständlich erteilt werden. Fängt die Durchsuchung deshalb schon mit dem Schnüffeln an?

Hat zuvor ein Richter eine solche wegen Drogenstraftaten angeordnet, scheint nichts gegen den Einsatz des Hundes vor und in der Wohnung zu sprechen. Er ist im Vergleich zum Betreten der Wohnung und zu ihrer körperlichen Durchsuchung die mildere und auf das Finden von Drogen beschränkte Maßnahme. Auch bevor ein Fahrzeug auf Drogenverstecke untersucht und dazu ggf. auseinandergenommen oder ein Koffer durchwühlt wird, erscheint es geradezu geboten, die Durchsuchung erst dann durchzuführen, wenn der Hund zuvor fündig wurde. Er darf deshalb jedenfalls dann eingesetzt werden, wenn durchsucht werden darf.

Anlasslos zulässige Durchsuchung

Nach Art. 46 des Unionszollkodex (UZK) ist das bei zollrechtlichen Kontrollen ohne einen auf eine bestimmte Person bezogenen Anlass – Verdacht oder Gefahr – der Fall. Sie dienen der Einhaltung der zollrechtlichen, aber auch der sonstigen Vorschriften über den Ein- und Ausgang von Waren in das oder aus dem Zollgebiet der Union.

Nach § 21 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) wirkt der Zoll - nach Abs. 2 ggf. auch die Bundespolizei - bei der Überwachung der Einfuhr von Betäubungsmitteln mit. Die Zollbeamten können deshalb zum Aufspüren illegaler Drogen nach § 10 Abs. 1 Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) im grenznahen Raum des deutschen Teils der Unionsgrenze alle Fahrzeuge anhalten und nebst Gepäck und Ladung durchsuchen. Sie können damit auch den Hund schnüffeln lassen. Der Bundespolizei ist dies zur Verhütung von Drogendelikten im gesamten Grenzgebiet der Bundesrepublik gestattet, sofern ihr die Aufgabe der Überwachung zugewiesen wurde. 

Schnüffeln ohne Personenbezug 

Das ZollVG erlaubt Kontrollen außerhalb des grenznahen Raums, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass der zollamtlichen Überwachung unterliegende Waren von Personen oder in Beförderungsmitteln mitgeführt werden. Auch das setzt keine auf eine bestimmte Person bezogenen tatsächlichen Anhaltspunkte voraus. § 10 Abs.2 ZollVG erfordert nur die Annahme, dass solche Waren im kontrollierten Bereich von irgendwem mitgeführt werden könnten. Das ist auf sämtlichen überregionalen Verkehrswegen immer der Fall. Im gesamten Bundesgebiet ist damit eine Durchsuchung von Sachen ohne personenbezogenen Anlass möglich.

Langversion mit Fundstellen im StV 07/23

Vergleichbare Regelungen finden sich in den Landespolizeigesetzen, die ebenfalls Durchsuchungen an bestimmten verdächtigen Orten ermöglichen, ohne dass dabei Anhaltspunkte für einen illegalen Rauschgiftbesitz einer bestimmten Person vorliegen müssen (vgl. etwa §§ 39 ff. PolG NRW). Es reicht aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich an dem jeweiligen Ort irgendwelche Personen zu BtMG-Straftaten verabreden, diese vorbereiten oder verüben.

Für den Einsatz des Drogenhundes bedeutet das: Ist die Durchsuchung von Sachen an bekannten Treffpunkten der Drogenszene erlaubt – wo konsumiert wird, wird ein gewerbsmäßig handelnder Dealer nicht fern sein –, ist auch sein Schnüffeln an dort verweilenden Personen und an ihren Sachen zulässig. Ob Gleiches für die Besucher eines Musikfestivals gilt, ist nicht sicher.

Einsatz bei personenbezogenem Anlass

Die Durchsuchung einer Sache oder Person setzt nach den einschlägigen Regelungen der StPO den Verdacht einer Straftat und in der Regel eine richterliche Anordnung voraus. Nach den Polizeigesetzen der Länder können die Polizeibehörden von einer Person mitgeführte Gegenstände wie Taschen oder Kleidungsstücke aber ohne richterliche Anordnung durchsuchen, wenn polizeirechtlich die Voraussetzungen einer Sicherstellung gegeben sind. Das ist dann der Fall, wenn es um die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr geht. Darunter fällt auch die Suche nach illegalen Betäubungsmitteln.

Ist der Einsatz eines Drogenhundes als Durchsuchung anzusehen, wäre bei einer auf die StPO gestützten Maßnahme immer, ansonsten nach Art. 13 Abs. 2 Grundgesetz (GG) jedenfalls beim Einsatz an oder in einer Wohnung eine richterliche Anordnung erforderlich. Eine solche Qualifizierung scheidet aber aus: Der Hund soll zwar wie bei einer körperlichen Untersuchung nicht zugängliche Informationen aus dem jeweils geschützten Bereich erheben, wenn er z.B. an einem Koffer, Fahrzeug oder der Wohnungstür schnüffelt. Und auch der Schutzbereich der Wohnung wäre betroffen.

Allerdings: Aus Art. 13 Abs. 3 und 4 GG folgt, dass nicht sämtliche Eingriffe in die Wohnung zur Informationsbeschaffung als Durchsuchung zu qualifizieren sind. Vielmehr setzt diese voraus, dass die Wohnung betreten wird, um innerhalb des Raumes Informationen zu erheben. Auch bei der Durchsuchung von Sachen oder Gegenständen geht es um ein körperliches Öffnen und anschließendes Suchen. Ein Hund dürfte zu alldem nicht in der Lage sein.

Das Schnüffeln des Drogenspürhundes ist strafprozessual vielmehr ein Eingriff nach § 161 Abs. 1 StPO ("Ermittlungen jeder Art"), der zwar einen Verdacht, aber keine richterliche Anordnung voraussetzt. Der Grund: Der Einsatz des Hundes ist weniger einschneidend als eine Durchsuchung durch einen Menschen.

Der Hund als "technisches Mittel"?

Aber gelten die niedrigen Hürden auch für das Schnüffeln eines Hundes in oder an einer Wohnung? Die Antwort ist nicht so einfach. Art. 13 gestattet neben Durchsuchungen zur Straftatverfolgung nur die Verwendung technischer Geräte zur akustischen Überwachung. Die optische Überwachung einer Wohnung ist strafprozessual unzulässig – sie ist nur zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit erlaubt (Art. 13 Abs. 4 GG).

Auch der Einsatz des Hundes könnte somit unzulässig sein. Natürlich ist er kein "technisches Mittel". Der Hund tut aber das, was ein technisches Mittel auch leistet: Wird durch den Einsatz von Richtmikrofonen oder Wanzen überwunden, dass der Mensch ohne diese Hilfsmittel nicht hören kann, was in der Wohnung gesprochen wird, wird durch den Hund der Umstand überwunden, dass der Mensch Drogen nicht riechen kann.

Ein völliges Verbot des Einsatzes eines Spürhundes wäre allerdings kaum einleuchtend, insbesondere nicht bei seinem Einsatz innerhalb einer Wohnung im Rahmen einer schon laufenden, rechtmäßigen Durchsuchung zum Auffinden von Drogen.

Als Rechtsgrundlage für einen Hunde-Einsatz in einer Wohnung kommt möglicherweise Art. 13 Abs. 7 GG in Betracht. Der passt aber nicht recht. Es geht dort etwa um Eingriffe und Beschränkungen zur Verhütung dringender Gefahren zur Behebung der Raumnot. Strafprozessuale Maßnahmen sind gar nicht vorgesehen – will man nicht den Umweg gehen, dass beim Verdacht eines BtM-Delikts auch immer die polizeirechtlich dringende Gefahr des illegalen Drogenanbaus oder -handels besteht.

Schnüffeln "auf gut Glück" unzulässig

Für das Betreten von Geschäftsräumen ist anerkannt, dass dieses nicht nur unter den eng verstandenen Voraussetzungen von Art. 13 Abs. 7 GG zulässig ist. Daraus kann man folgern, dass der Einsatz des Spürhundes vor einer Wohnung – insbesondere vor vermuteten Indoor-Plantagen – als die im Vergleich zur körperlichen Durchsuchung weniger einschneidende und noch dazu weder heimliche noch längerfristige Maßnahme ebenfalls nicht streng an Abs. 7 gebunden und auch eine richterliche Anordnung nicht erforderlich ist.

Ein hinreichender Verdacht oder eine hinreichend konkrete polizeiliche Gefahr muss aber immer vorliegen. Die Polizei kann damit nicht auf gut Glück durch Wohnheime streifen und den Hund schnüffeln lassen.

Der Autor Prof. Dr. Andreas Ransiek ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Strafprozessrecht, insbesondere Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Bielefeld.

Bei dem Text handelt es sich um eine Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Beitrags mit Literatur- und Rechtsprechungsbelegen aus der Zeitschrift "StV - Strafverteidiger", Heft 7, 2023. Die Zeitschrift wird wie LTO von Wolters Kluwer herausgegeben. Sie ist als Einzelausgabe hier und als Abo hier erhältlich.

Zitiervorschlag

Drogenhunde im Einsatz: . In: Legal Tribune Online, 23.06.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52066 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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