Mehr Kameras soll es nach dem Willen der strafrechtlichen Abteilung an keinem Instanzgericht geben. Stattdessen fordern die Juristen Änderungen im Ermittlungsverfahren - aber nicht etwa für mehr Medieninformation.
Beim 71. Deutschen Juristentag (djt) vermittelte die strafrechtliche Abteilung den Eindruck, dass der aus dem Bundesjustizministerium stammende Entwurf zu einem Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit, den das Bundeskabinett mittlerweile verabschiedet hat, genau den Kompromiss darstellt, den die Seele der anwesenden Juristen noch verkraften konnte. Eine Mehrheit sprach sich dafür aus, dass Pressevertreter die Urteilsverkündung einschließlich der mündlichen Verhandlung und den Beginn der Hauptverhandlung filmen zu dürfen - an den Bundesgerichten, und zwar nur dort.
Weitergehende Anträge betreffend die Hauptverhandlung fanden hingegen keine Mehrheit. Egal, ob vom Gericht gesteuert oder nicht, egal, ob live oder als zeitversetzter Stream: Ton- und Filmaufnahmen an anderen Gerichten lehnten die Abstimmenden ab.
Eindeutig war auch, sichtbar nicht erst in ihrem Abstimmungsverhalten, die Meinung der Juristen zu einer erweiterten Saalöffentlichkeit: Nur die Übertragung der Verhandlung an Medienvertreter in einem gesonderten Raum sei wünschenswert, eine Videoübertragung in einen anderen Saal bei zu kleinem Sitzungssaal lehnten sie ab. Es sei zu schwierig für den Vorsitzenden, seine sitzungspolizeilichen Befugnisse in mehreren Räumen auszuüben.
Insgesamt entschieden sich die Teilnehmer also recht exakt für das, was der vom Kabinett verabschiedete Entwurf ohnehin schon enthält.
Einigung: Was ist eigentlich ein Journalist?
Offener für Änderungen zeigten die Juristen sich in Bezug auf Änderungen im Ermittlungsverfahren, die derzeit nicht Gegenstand von Reformüberlegungen im BMJV sind. Dessen Entwurf beschränkt sich auf die Hauptverhandlung vor Gericht.
Die Juristen beim 71. djt hingegen halten Änderungen in diesem Bereich für erforderlich. Allerdings auch hier mit einer klaren Tendenz: mehr Schutz für den Beschuldigten. Diesbezüglich teilen die Strafrechtler die Auffassung des Gutachters Professor Karsten Altenhain: Die Mehrheit spricht sich in Bezug auf die Auskunftsansprüche für eine einheitliche Regelung auf Bundesebene für das gesamte Strafrecht aus, die personenbezogene Auskünfte nur bei dessen Einwilligung oder dann erteilt, wenn er sich selbst als Beschuldigter zu erkennen gegeben hat.
Selbst einen Antrag, der in der derzeitigen Praxis längst usus ist, lehnten die Juristen mit großer Mehrheit ab: Auch dann personenbezogene Informationen herauszugeben, wenn der Beschuldigte in der Öffentlichkeit bereits auf der Grundlage allgemein zugänglicher Informationen, die einen Anfangsverdacht begründen, verdächtigt wird.
Rechtlich durchsetzbare Nachrichtensperren allerdings, die ebenfalls auf der Vorschlagsliste standen, lehnten auch die abstimmenden Juristen ab. Einen überraschend starken Fokus legten sie dabei auf eine Frage, die zuvor wenig Beachtung fand: Wer ist eigentlich ein Journalist? Und einigten sich erst nach einigem Hin und Her auf eine Definition, die nicht nur die Inhaber eines Presseausweises einschließt: Journalisten seien alle regelmäßig publizierenden Personen, die in einem Redaktions- oder sonstigen Verantwortungszusammenhang für ihre journalistische Tätigkeit beauftragt wurden. Blogger allerdings dürfte dieser Beschluss ausschließen.
Pia Lorenz, Öffentlichkeit im Strafverfahren beim djt: . In: Legal Tribune Online, 15.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20601 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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