3/3: Rücktritte im Monatstakt?
Zu guter Letzt stellt sich die Frage nach dem Bestand des Mandats von Sonneborn. Einerseits ist er demokratisch gewählt, so dass das Europäische Parlament ihm das Mandat nicht nehmen kann. Falls er es dennoch behalten wollte, stellt die Geschäftsordnung dem Parlament ausreichende Sanktionsmittel gegen sein Verächtlichmachen durch einen Abgeordneten zur Verfügung.
Lässt sich andererseits aber auch der Plan der "Partei" umsetzen, im Monatswechsel die Abgeordneten zurücktreten zu lassen und auszutauschen?
An sich können Abgeordnete jederzeit auf ihre Mitgliedschaft im Europäischen Parlament verzichten (§ 22 Abs. 2 Nr. 4 EuWG; Art. 13 Abs. 1 und 4 des Direktwahlaktes von 1976). Dann folgt der nächste Bewerber auf der Liste (§ 24 Abs. 1 EuWG).
Allerdings hat über den Verlust der Mitgliedschaft das Europäische Parlament zu entscheiden, "indem es das Freiwerden des Sitzes feststellt" (§ 23 Abs. 1 Ziff. 3 EuWG). Und hier nun kommt eine Voraussetzung zum Tragen, die in den normalerweise auftretenden Rücktrittsfällen sicherlich eher abgenickt wird. Der Rücktritt muss nämlich "mit dem Geist und den Buchstaben" des Direktwahlaktes von 1976 vereinbar sein (so Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments).
Rücktritt: mit dem Geist des Direktwahlaktes nicht vereinbar
Hier geht es um den Grundsatz des freien Mandats (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Direktwahlakt). Dieser stellt das Wie der Wahrnehmung des Mandats in das alleinige Ermessen des Abgeordneten, solange er damit nicht offensichtlich krass gegen Gemeinwohlerfordernisse verstößt, wie dies auch allen anderen aus Steuern bezahlten Funktionsträgern der EU verboten ist.
Ausschließlich eigennütziges Mandatshandeln ist also mit dem Status des Abgeordneten nicht vereinbar. Die allein öffentlich herausgestellte Absicht, möglichst vielen Personen auf der Liste die finanzielle Bereicherung zu ermöglichen, widerspricht dem Geist des Direktwahlakts (und der EU-Rechtsordnung insgesamt).
Das Parlament kann den Rücktritt Sonneborns zurückweisen. Gäbe er sein Mandat faktisch dennoch auf, könnten andere Listenbewerber also nicht nachrücken. Auf diese Weise kann sich das Parlament davor schützen, gezielt lächerlich gemacht zu werden. Bei alledem hat Sonneborn aber mit den Mitteln der Satire Diskussionen über bestimmte Auswüchse der Diäten und Schwächen des Mandatszuteilungsverfahrens ausgelöst, die ohne ihn womöglich keine breite Öffentlichkeit erreicht hätten. Darin liegt durchaus ein Verdienst – trotz des Unbehagens über den Spott, den er über das Europäische Parlament und das wichtigste politische Recht der Bürger, das Wahlrecht, ergießt.
Der Verfasser Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim lehrt als pensionierter Professor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.
"Die Partei" im EU-Parlament: . In: Legal Tribune Online, 04.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12170 (abgerufen am: 02.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag