2/3: Wann ist eine Partei eine Partei?
Unbehagen weckt aber auch die offensichtlich mangelnde Ernsthaftigkeit der Satiriker. Als politische Parteien werden nur Gruppierungen anerkannt, die "eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit […] bieten, auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen" und im Europäischen Parlament entsprechend mitzuwirken (§ 2 Parteiengesetz). Wahlvorschläge zur Europawahl dürfen nur Parteien oder sonstige politische Vereinigungen einreichen, die diese Voraussetzung erfüllen (§ 8 Abs. 1 des Europäischen Wahlgesetzes (EuWG).
Offensichtlichen Scherzvereinigungen ist die Parteieigenschaft hingegen zu versagen. Wer die parlamentarische Arbeit aus Geltungssucht oder sonst rein eigennützigen Motiven nur lächerlich machen will, hat keinen Anspruch auf den Parteienstatus. Dass der Bundeswahlausschuss Die Partei in Kenntnis ihres Spaßcharakters dennoch zur Europawahl zugelassen hat, ist nicht recht nachzuvollziehen. Allenfalls könnten Sonneborn und seine Partei geltend machen, sie wollten - als Narr vor den Thronen der Macht - auf Schwachstellen des Systems hinweisen; sie verfolgten mit der Kandidatur also im Wege der Realsatire durchaus ernsthafte politische Ziele; das könnte die Zuerkennung des Parteienstatus immerhin in milderem Licht erscheinen lassen.
Dank Sonneborn im Fokus: Großzügige Abgeordnetendiäten
Immerhin hat der moderne Eulenspiegel Sonneborn auch die überzogenen Pauschalen und sonstigen Kostenerstattungsregelungen sowie das Übergangsgeld in den Fokus der Öffentlichkeit gezerrt.
Dabei hat der ehemalige Chefredakteur der Titanic die verrückteste Regelung noch gar nicht erwähnt. Die 33.000 Euro, die Sonneborn sich und jedem seiner Kollegen vor dem jeweiligen Rücktritt künftig monatlich sichern will, werden auch an EU-Abgeordnete aus Ländern mit sehr viel niedrigerem Preis- und Einkommensniveau gezahlt. Das Geld ist dort real das Drei- oder Vierfache wert und beschert den Abgeordneten sehr viel höhere Einkommen als ihre Staats- oder Ministerpräsidenten beziehen und eine übergroße Zahl von Assistenten.
EU-Abgeordnete erhalten eine steuerpflichtige Entschädigung von monatlich 8.021 Euro. Beim Ausscheiden aus dem Parlament bekommen sie Übergangsgeld in derselben Höhe, und zwar für jedes Mandatsjahr einen Monat lang, mindestens aber sechs und höchstens 24 Monate (Art. 13 Europäisches Abgeordnetenstatut). Erwerbseinkommen wird nicht angerechnet.
Sehr lukrativ, sehr überprüfungsbedürftig
Diejenigen deutschen Abgeordneten, die 2009 für die Fortgeltung des deutschen Abgeordnetengesetzes optiert hatten, wie zum Beispiel Martin Schulz, erhalten sogar 8.252 Euro. Zudem kommen sie in den Genuss der vom Bundestag im Februar beschlossenen Erhöhungen zum 1. Juli 2014 und zum 1. Januar 2015 auf dann 9.082 Euro (sofern der Bundespräsident das Gesetz – trotz seiner zahlreichen Verfassungswidrigkeiten – unterschreibt und im Bundesgesetzblatt noch verkündet).
Auf das Übergangsgeld werden – im Gegensatz zum europäischen Abgeordnetenstatut – Erwerbseinkommen ab dem zweiten Monat angerechnet; es gibt nach sehr kurzer Mandatszeit auch keinen Mindestbezug des Übergangsgeldes von sechs Monaten (§ 18 Abs. 1 und 2 AbgG). Dass das Gemeinschaftsrecht so viel großzügiger ist als das deutsche Abgeordnetengesetz, ist sachlich nicht zu rechtfertigen.
Schließlich beziehen alle EU-Abgeordneten, also auch diejenigen, die hinsichtlich der steuerpflichtigen Entschädigung für die Fortgeltung des nationalen Rechts optiert hatten, eine steuerfreie allgemeine Kostenpauschale von monatlich 4.299 Euro, pro Sitzungstag ein steuerfreies Tagegeld von 304 Euro, und sie können nach und von Brüssel auf Gemeinschaftskosten Business Class fliegen.
Die Überprüfungsbedürftigkeit dieser Regelungen hat das Europäische Parlament in einer Entschließung vom April 2014 selbst eingeräumt. Zusätzlich werden Abgeordneten auf Nachweis die Kosten für Assistenten bis zur Höhe von monatlich 21.209 Euro erstattet. Diese werden vielfach für verdeckte Parteienfinanzierung zweckentfremdet, z. B. werden Parteifunktionäre angestellt, oder die Assistenten werden für den Wahlkampf eingesetzt.
"Die Partei" im EU-Parlament: . In: Legal Tribune Online, 04.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12170 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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