Deutsch-polnisches Polizeiabkommen tritt in Kraft: Zu­sam­men­ar­beit als Chance

von Dr. Thomas Bode

09.07.2015

2/2: Grenzüberschreitende Eingriffsmöglichkeiten

Das Abkommen regelt nun weithin grenzüberschreitende Eingriffsmöglichen bei dringenden Gefahren für Leib und Leben. Beamte des einen Landes dürfen - ohne vorher um Erlaubnis des anderen Landes zu fragen - zur Rettung von Menschen die Staatsgrenze überschreiten, den Straßenverkehr regeln und Personen vorläufig festnehmen.

Bei geringeren Rechtsgütern oder repressiven Ermittlungen besteht aber nach wie vor ein grundsätzlicher Vorrang des Informierens und Fragens vor dem hoheitlichen Handeln im Nachbarland. Dieser Grundsatz wird aber an einigen Stellen für Eilfälle durchbrochen.

Ein solcher Ausnahmefall kann beispielsweise bei Eigentumsdelikten, etwa bei Versuchen, mit gestohlenen Gütern über die Grenze zu fliehen, bestehen. So ist die Verfolgung und vorläufige Festnahme dieser Täter nun unter gewissen Einschränkungen möglich. Dies kann entweder im Rahmen einer planmäßigen Observation geschehen, sich spontan und ohne voriges Ersuchen bei einer überraschend die Grenze überschreitenden Observation oder schließlich im Rahmen der sog. Nacheile bei Verfolgung auf frischer Tat ergeben.

Solche Maßnahmen müssen aber, wenn zeitlich möglich, mit dem Nachbarland abgestimmt werden. Eine Observation darf auch im Eilfall nur bis zu 12 Stunden ohne dessen Bewilligung fortgesetzt werden.  Ähnliche Beschränkungen gelten für den grenzüberschreitenden Einsatz von verdeckten Ermittlern.

Gemeinsame Ermittlungen

Neben den bereits bestehenden gemeinsamen Streifen sind jetzt auch gemeinsame operative  Ermittlungsgruppen aus Beamten beider Länder möglich. Auch können Polizisten des einen Landes im anderen Land hoheitlich tätig werden, wenn sie der Führung eines dort örtlich zuständigen Beamten unterstellt werden.

Mit diesen Möglichkeiten kann eine eskalierende Einsatzlage im Grenzgebiet gelöst werden. Ein wichtiger Anwendungsfall wäre etwa der Einsatz gegen Hooligans durch fremdgeführte Beamte des Heimatlandes auf fremdem Boden.

Auch die schwierige Ermittlung von bereits begangenen Straftaten und Tätern kann aber über diese Instrumente forciert werden, ohne dass auf den langwierigen Weg der allgemeinen Rechtshilfe zurückgegriffen werden muss.

Gemeinsame Dienststellen

Schließlich besteht die Möglichkeit, neben dem bestehenden Leuchtturm des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit an der Grenze in Świecko neue gemeinsame Dienststellen zu gründen, um die Zusammenarbeit der Polizei zu intensivieren. Dazu ist auch eine verstärkte Zusammenarbeit der Behörden bei Aus- und Fortbildung sowie technische Unterstützung vorgesehen.

Diese Maßnahmen sind im Abkommen allerdings meist nur allgemein genannt und noch nicht in ihrer Art und Weise konkretisiert. Außerdem enthält der Vertrag eine Souveränitätsklausel, nach der eine Maßnahme verhindert werden kann, wenn sie nach Ansicht des Nachbarlandes mit Grundsätzen  seiner Rechtsordnung nicht vereinbar ist oder heimische Ermittlungen stört.

Ob eine stärkere Integration bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität zwischen Deutschland und Polen gelingt, ist also vor allem davon abhängig, wie der enorme Spielraum des Vertrages ausgefüllt wird und ob auch entsprechend gut kriminalistisch ausgebildetes  und sprachlich geschultes Personal für diese Intensivierung der Zusammenarbeit zur Verfügung steht. Das neue Abkommen ist daher eine große Chance, bietet aber auch das Risiko des Scheiterns, wenn es nicht mit Leben gefüllt wird.

Der Autor Dr. Thomas Bode ist Habilitand und Akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsinformatik von Prof. Dr. Wolf an der Europa-Universität Viadrina. Sein Forschungsbereich betrifft neben dem Spannungsfeld zwischen Repression und Prävention auch grenzüberschreitende Ermittlungsmaßnahmen.

Zitiervorschlag

Deutsch-polnisches Polizeiabkommen tritt in Kraft: . In: Legal Tribune Online, 09.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16157 (abgerufen am: 05.11.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen