Die Polizeigewerkschaft NRW fordert in einem Positionspapier verpflichtende Fahrsicherheitstrainings für Verkehrsteilnehmer ab 75 Jahren. Nach aktuellen Studien scheint diese Gruppe besonders häufig Pkw-Unfälle zu verursachen. Die Forderung der GdP ist nicht neu - doch ist sie auch berechtigt? Und wie passt sie ins deutsche Fahrerlaubnis-Recht? Von Adolf Rebler.
"78-Jähriger überfährt rote Ampel – schwerer Unfall". Solche Meldungen finden sich häufig in den Nachrichten. Ältere Autofahrer scheinen – zumindest was den Straßenverkehr betrifft - ein Risiko für sich und ihre Umwelt zu sein, und Verkehrsstudien scheinen dies auch zu bestätigen. Tatsächlich belegen die Unfalluntersuchungen.eine deutliche Grenze im höheren Alter. Nach einem Bericht des Statistischen Bundesamts aus dem Jahre 2010 lebten im Jahr zuvor 16,7 Millionen Personen im Alter von mindestens 65 Jahren in Deutschland, was einem Bevölkerungsanteil von 20 Prozent entspricht. Als Beteiligte an Unfällen mit Personenschaden hatten die über 65-Jährigen in 2009 aber "nur" einen Anteil von elf Prozent.
Ganz anders stellt sich die Situation bei Bürgern über 75 Jahren dar. Diese Personengruppe hat nach einer Studie der Universität Heidelberg aus dem Jahr 2007 ein achtmal höheres Risiko, einen Unfall am Steuer zu verursachen- und ist mit einer anderen Hochrisikogruppe zu vergleichen: den Fahranfängern unter 25 Jahren. Sitzen die Senioren weniger als 8.000 km jährlich am Steuer, erhöht sich dieses Risiko noch weiter. Die 75 wird damit zur "magischen Altersgrenze".
Die Verkehrsfähigkeit von älteren Personen wird vor allem durch ihr schlechtes Sehen und ihre verminderte Reaktionsfähigkeit eingeschränkt. Hierdurch fällt es den Fahrern oft schwer, Verkehrssituationen schnell zu erfassen und zu reagieren. Diese Defizite zeigen sich dann in den für Senioren "typischen" Unfallsituationen: So missachten ältere Autofahrer häufig die Vorfahrt und machen vorwiegend Fehler beim Abbiegen und Überholen. Außerdem halten sie oft nicht den nötigen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug.
Gesundheitliche Eignung wird nur in Ausnahmefällen geprüft
Doch welche Möglichkeiten haben die Fahrerlaubnisbehörden nach geltendem Recht, um gegen verkehrsunsichere Fahrer vorzugehen? Wer ein Kraftfahrzeug führen will, muss dazu geeignet und befähigt sein. Das schreibt § 2 Abs. 4 und Abs. 5 Straßenverkehrsgesetz (StVG) vor. Die Befähigung, also die Kenntnis der Verkehrsregeln und den sichereren Umgang mit dem Kfz, weist der Fahrerlaubnisbewerber in der Fahrprüfung nach.
Eine Eignungsprüfung als Nachweis der körperlichen und geistigen "Leistungsfähigkeit", findet aber ausschließlich bei der Erteilung und Verlängerung des Bus- und des Lkw-Führerscheins statt, also bei Berufskraftfahrern. Die Erlaubnis ist bis zum 50. Lebensjahr befristet. Für die Erteilung und Verlängerung des Bus-Führerscheins ab 50 und für die Verlängerung des Personenbeförderungsscheins ab dem 60. Lebensjahr werden dann medizinische Gutachten verlangt.
Beim Pkw- und Motorradführerschein gibt es keine Eignungsprüfung – bis auf den Sehtest. Nur wenn für die Fahrerlaubnisbehörde ein konkreter Verdacht besteht, an der Eignung des Fahrers zu zweifeln, darf (und muss) sie diesen Zweifeln nachgehen. Die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) hält hierzu ein abgestuftes Instrumentarium bereit, nach dem die Behörde zuerst ein ärztliches Gutachten und – wenn sich die Bedenken zu "Zweifeln" verdichtet haben – auch ein medizinisch-psychologisches Gutachten oder das Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen anfordern kann. In Ausnahmefällen kann sogar eine erneute Fahrprüfung nötig werden. Bringt der Betroffene ein Gutachten nicht bei, kann die Behörde ihm allein schon deshalb seine Fahrerlaubnis entziehen.
In jedem Fall müssen sich die Bedenken aber an bestimmte, die Fahreignung betreffende Tatsachen knüpfen. Fortgeschrittenes Alter allein ist nach geltendem Recht jedenfalls kein Grund, jemanden als ungeeignet oder eingeschränkt geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Bei dem betreffenden Kraftfahrer muss vielmehr ein solch fortgeschrittener Altersabbau festgestellt werden, dass er zu greifbaren Ausfallerscheinungen von Gewicht geführt hat. Ein "normaler" Unfall reicht hierfür nicht aus.
Deutschland setzt auf freiwillige Prävention
Ab 2013 soll ein EU-Führerschein die aktuell in mehr als 110 Versionen gültigen "Lappen" ablösen. Die neuen Führerscheine sind nur 15 Jahre gültig. Die Mitgliedstaaten können die Erneuerung der Fahrerlaubnis von einer Prüfung der Mindestanforderungen an die "körperliche und geistige Tauglichkeit" abhängig machen. Dabei geht es etwa um das Seh- und Hörvermögen oder um Erkrankungen wie Herz- u. Gefäßkrankheiten, Zucker, oder Krankheiten des Nervensystems. Ob medizinische oder Sehtests verpflichtend vorgeschrieben werden, entscheiden aber die Mitgliedstaaten selbst.
Darüber hinaus können einzelne Länder die Gültigkeitsdauer von Führerscheinen nochmals begrenzen, wenn deren Inhaber 50 Jahre oder älter sind. Das soll häufigere ärztliche Kontrollen oder sonstige besondere Maßnahmen wie Auffrischungskurse ermöglichen. Eine derartige Verringerung der Gültigkeitsdauer darf nur bei der Erneuerung eines Führerscheins vorgenommen werden. Ein verpflichtender Umtausch alter Führerscheine ist aber erst zum 19. Januar 2033 vorgeschrieben.
Bereits jetzt setzen Spanien, die Niederlande und Italien auf pflichtige Gesundheitstests. Deutschland plädiert weiter für freiwillige Prävention, nicht für Druck. Gerade im Alter ist die Mobilität ein hohes Gut. Und nicht überall ist der öffentliche Personennahverkehr so leistungsfähig, dass ein fehlender eigener Pkw ausgeglichen werden könnte. Auch scheint einer niederländischen Studie zufolge das erhöhte Unfallrisiko nur bei Wenig-Fahrern zu bestehen, nicht dagegen bei den über 75-Jährigen, die mehr als 15.000 Kilometer fahren. Diese weisen nämlich das geringste relative Unfallrisiko auf.
Eine Lösung des Problems sollte von mehreren Seiten angegangen werden. Bereits die Gestaltung und Ausstattung von Straßen muss der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Deutschland immer "älter" wird. Die Überlegungen könnten dahin gehen, Lichtanlagen im Straßenverkehr an verlangsamte Reaktionszeiten anzupassen oder Straßenschilder zu erneuern, deren Reflexionsfähigkeit und damit Sichtbarkeit mit den Jahren nachlässt. Ein Teil der Lösung sind wohl auch (freiwillige) Sicherheitstrainings für Senioren, die von vielen Automobilclubs schon jetzt angeboten werden. Letztlich bleibt auch die gegenseitige Rücksichtnahme ein wichtiger Baustein - denn jeder wird älter und möchte dann noch mobil bleiben..
Der Autor Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat in Regensburg und Autor zahlreicher Publikationen zum Straßenverkehrsrecht.
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Adolf Rebler, Demografie und Straßenverkehr: . In: Legal Tribune Online, 12.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4242 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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