Wirtschaftskrimi Cum/Ex-Geschäfte: Wenn die Ver­fas­sung die Steuer über­holt

von Dr. Christph Knauer und Sören Schomburg

12.04.2017

3/3: Hoffnungen in den BFH nicht erfüllt

Große Hoffnungen im Sinne einer Klarstellung diverser Rechtsfragen erweckte ein Verfahren, das in einem Urteil des BFH mündete (BFH, Urt. v. 16.04.2016, Az. I R 2/12). Der BFH ließ jedoch die relevanten Streitfragen weitestgehend offen; lediglich der Hinweis, dass der Übergang wirtschaftlichen Eigentums bei OTC-Verkäufen nicht ausgeschlossen sei, ließ sich dem Urteil entnehmen. Im konkreten Fall wurde der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums jedoch abgelehnt, da dem Geschäft ein "modellhaft aufgelegte[s] Gesamtvertragskonzept" zugrunde gelegen habe.

Die Geschäfte waren zudem Gegenstand diverser finanzgerichtlicher Entscheidungen. So wies unter anderem das Hessische Finanzgericht (FG) einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung von Körperschaftsteuerbescheiden zurück (FG Kassel, Beschl. v. 08.10.2012, Az.: 4 V 1661/11). Mit drastischen Formulierungen erklärte es, dass die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer Grundvoraussetzung für deren Anrechnung sei. Die Ansicht, Kapitalertragsteuer könne doppelt angerechnet werden, obwohl sie nur einmal abgeführt wurde, sei "abwegig" und widerspreche dem "Grundverständnis der Kapitalertragsteuer als Abzugssteuer". Eine Auslegung dahingehend, dass "eine Anrechnung erfolgen kann, ohne dass Abzugssteuern einbehalten wurden [sei] nicht vertretbar".

Zwischenhändler und Verkaufsauftrag führende Stellen

Seitdem hat sich das FG Hessen wiederholt mit der Materie auseinandergesetzt, ohne jedoch zu einem anderen Ergebnis zu kommen. So lehnte es die Anrechnung von Kapitalertragsteuer für Cum/Ex-Geschäfte ab (FG Kassel, Urt. v. 10.02.2016, Az.: 4 K 1684/14). Anders als in der Entscheidung aus dem Jahr 2012 ging es hier jedoch um Streckengeschäfte, d.h. Transaktionen, bei denen die Aktien nicht direkt aus dem Ausland erworben wurden. Vielmehr waren in der zugrundeliegenden Fallgestaltung (deutsche) Zwischenhändler eingeschaltet. Gerade diese Konstellation bietet juristischen Diskussionsstoff. Denn wer in concreto "die Verkaufsauftrag ausführende Stelle" sein soll und damit zum Einbehalt der Steuer verpflichtet wäre,  ist bisher wenig beleuchtet worden.

Die Entscheidungen des Hessischen FG sind in der Literatur massiv kritisiert worden. Es wurden Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richter laut und die Verantwortung für die Geschäfte dem Gesetzgeber zugeschrieben. Fehlerhafte Gesetze dürften nicht zu Lasten des Bürgers gehen. Gehe der Gesetzgeber nicht ausreichend und rechtzeitig gegen Lücken vor, müsse er auch mit den Folgen leben. Jedenfalls dürfe in so einem Fall Strafrecht als ultima ratio nicht angewendet werden.
Andererseits wird etwa darauf verwiesen, dass jedenfalls bei abgesprochenen Leerverkäufen die zweifache Anrechnung nicht zulässig sein könne, dies teils unter Verwies auf den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 Abgabenordnung (AO).

BVerfG überholt den BFH

Das BVerfG hat mit seinem Beschluss vom März 2017 nun die steuerrechtliche Diskussion gewissermaßen strafrechtlich überholt. Die Entscheidung dürfte die Strafverfolgungsbehörden in ihrer Rechtsauffassung in den diversen anhängigen Verfahren bestärken. Eine nähere Begründung enthält der Beschluss jedoch nicht. Lediglich die zitierte Normenkette von Art. 103 Abs. 1, Art. 103 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 und 2, Art. 12 Grundgesetz (GG) lässt erkennen, dass das BVerfG jedenfalls keine Zweifel an der Bestimmtheit der zugrundeliegenden Gesetze und seiner Auslegung durch die Strafverfolgungsbehörden hegt. Weitere Ermittlungsverfahren sind daher zu erwarten.

Der Aufwand, die Transaktionen aufzuklären, ist allerdings enorm. Auch dies wohl ein Grund, warum es ein rechtskräftiges klärendes Strafurteil bisher nicht gibt. Diverse Rechtsfragen bedürfen der Klärung, so bspw. zu den Streckengeschäften, den Anforderungen an den Vorsatz bezüglich der häufig hoch komplexen Geschäftsstrukturen und zum Verbotsirrtum. Auch wenn die Geschäfte seit 2012 beendet sind, wird Cum/Ex die Finanzgerichte und die Strafjustiz sowie die betroffenen Kreditinstitute daher noch viele Jahre beschäftigten.

Professor Dr. Christph Knauer ist Partner der Münchener Kanzlei Ufer Knauer und Honorarprofessor für Wirtschaftsstrafrecht und strafrechtliche Revision an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sören Schomburg ist Salary Partner der Kanzlei Ufer Knauer und leitet das Berliner Büro. Beide vertreten diverse Finanzinstitute und Manager in Cum-Ex-Verfahren.

Zitiervorschlag

Wirtschaftskrimi Cum/Ex-Geschäfte: . In: Legal Tribune Online, 12.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22650 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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